Hepple Gin, Supasawa & der H. and H. Cocktail

Der klassische Martini Cocktail hat es in Deutschland nie so wirklich leicht gehabt. Obwohl er in der englischsprachigen Barwelt auch majestätisch als „King of Cocktails“ firmiert, dort mit unzähligen Anekdoten verknüpft ist und sich fast schon philosophische Strömungen über die richtige Zubereitungsart herausgebildet haben, bleibt er bis heute im deutschsprachigen Raum hinter dem zurück, was er eigentlich sein müsste. (zugesandte Testprodukte)*

Zwar glaubt so gut wie jeder, zu wissen, was ein Martini ist, der Umstand, dass man allerdings immer wieder einmal Leute den gleichnamigen italienischen Wermut mit einer Olive aus einem Martiniglas schlürfen sieht, sorgt dann jedoch entgegen der eigentlich intendierten Wirkung eines Martinis schnell für eine gewisse Form von Ernüchterung. Und gerade in einer Zeit, in der der Gin-Hype von Jahr zu Jahr erneut alles Gerede von der platzenden Ginblase Lügen straft, verwundert das doch um so mehr. Hingegen der Gin & Tonic – na klar! – dieser Drink hat es bis in die letzten Winkel deutscher Wohnzimmer geschafft, ein Siegeszug, der dem Martini wohl vorenthalten bleiben wird (wenn wir einmal diejenigen herauslassen, die in der Barwelt zuhause sind).

Bei Gintastings versuche ich daher regelmäßig, eine Lanze für den King of Cocktails zu brechen und ihn als das darzustellen, was er ist bzw. sein kann: einer der großartigsten Drinks der Bargeschichte. Natürlich steht und fällt dieser Anspruch aber auch mit einem passenden Gin – und da kommt die Flasche ins Spiel, die ich heute hier rezensieren möchte.

Der Hepple Gin ist ein Neuling auf dem deutschen Ginmarkt, wo er seit Kurzem durch Tender Spirits vertrieben wird. Hinter Tender Spirits steckt niemand geringeres als Joerg Meyer, der fraglos als eine der Koryphäen der deutschen Cocktail- und Spirituosenszene bezeichnet werden kann und dessen Hamburger Bar Le Lion für die Cocktailrenaissance in Deutschland und darüber hinaus wegbereitend war (übrigens auch für mich und meine Begeisterung für die Materie). Der Hepple Gin selbst stammt jedoch aus dem Norden Englands, aus Northumberland unweit der schottischen Grenze, wo sich auch ein Dörfchen dieses Namens befindet. Die Moorland Spirit Co. stellt dort in einer sehr modernen Destille ihren Gin her (nebst anderen Destillaten) und geht hier sehr innovative Wege. Und das alles mit einem klar umrissenen Ziel: einen Gin für den perfekten Martini zu kreieren.

Das ist natürlich kein geringer Anspruch und ob dies gelingen kann, werde ich im Folgenden herauszufinden versuchen. Zuvor ist es jedoch sehr interessant, einmal genau auf die Herstellung des Hepple Gins einzugehen. Denn dieser wird nach einer vom Hersteller als „Triple Technique“ bezeichneten Methode produziert. Dafür wird zunächst ein klassischer London Dry Gin auf einer Pot Still gebrannt. Die hierbei verwendeten Botanicals sind nebst Wacholder Johannisbeeren (samt Blättern), Douglasfichtennadeln, Koriander- und Fenchelsaat, Süßholzwurzel, Iris und Angelicawurzel – also keine allzu abgefahrene, wohl aber interessante Komposition. Im zweiten Schritt werden nun separat fünf einzelne „Kräutergeiste“ bzw. Mazerate aus grünem, unreifen Wacholder, Douglasfichtennadeln, Blättern der schwarzen Johannisbeere, Liebstöckel und Amalfizitronenschalen destilliert und miteinander vermählt (man kennt derartige Cuveeverfahren z.B. aus dem Hause Hendrick‘s). Im dritten und letzten Schritt der „Triple Technique“ wird mittels einer CO2-Druckinfusion aus einem Wacholdermazerat eine Wacholderessenz herausgelöst (vergleichbar der Verfahrensweise bei der Parfümherstellung). Die Erzeugnisse aller drei Schritte werden schließlich zum finalen Gin vereint. Zwar darf dieser Gin aufgrund des letzten Schrittes nicht das Label Dry Gin tragen, bedenkt man aber den Grund und die Intention hinter dem aufwendigen Verfahren, so ist dies sicherlich einer der besten Gründe, die mir bislang für den Verzicht auf jene Bezeichnung untergekommen ist. Abgefüllt wird dann schlussendlich mit 45% vol.

Tasting Notes:

Aroma: Das nenn ich mal einen wacholdertönigen Gin! Zwar fällt der Ersteindruck alles andere als eindimensional aus, der Wacholder ist hier aber klar der Hauptdarsteller und fast will ich sagen: endlich einmal wieder. Er wird charakterisiert von einer gewissen Pfeffrigkeit, kräutrig-waldigen Noten, die an Kiefern- und Fichtennadeln denken lassen, dazu gesellen sich aber auch fruchtige Noten von grünen Äpfeln, Zitronenschalen und hellen Trauben. Gefällt mir in der Nase ausgesprochen gut!

Geschmack: Auch am Gaumen spielt der Wacholder virtuos die erste Geige. Mit einem ganzen Kräuterstrauß, aus dem vor allem der Koriander und wieder waldige Fichtentöne hervorragen, zeigt der Hepple Gin, wie man in Zeiten der New Western Dry Gin-Flut auch gekonnt einen anderen Weg einschlagen kann. Kandierte Zitronenschalen, etwas Ingwer und Kardamom sind ebenfalls mit von der Partie und verleihen dem Hepple Gin einen angenehm komplexen Charakter.

Abgang: relativ lang und würzig mit Wacholder und Kräutereinschlag

Natürlich musste ich nach all dem Vorgeplänkel nun die Probe aufs Exempel machen und den Hepple Gin in einem Martini verkosten. Und was soll ich sagen? Tatsächlich bekommt man einen exzellenten Martini mit diesem Gin ins Glas! Ob er nun perfekt ist, tja… da ich Abwechslung liebe, gibt es den perfekten Martini in meinen Augen nicht, aber das hier ist mit Sicherheit einer, der ganz oben mitspielt: Knackig („crisp“), klar, schöne Wacholdertöne und ein exzellent mit dem Wermut harmonierender Kräutereinschlag, was will man mehr?

Der Hepple Gin im klassischen Martini

Gut, vielleicht will man noch einen Gin & Tonic (hier würde ich zu einem klassischen Fever Tree oder einem Fentimans Tonic greifen), aber um ehrlich zu sein war mir noch mehr danach, einen Drink ausprobieren, der mehr in Richtung Martini auftrumpft. Und hier bin ich im 1930er Savoy Cocktail Book von Harry Craddock über den H. and H. Cocktail gestolpert. Der Drink erinnert stark an den durch James Bond berühmten Vesper bzw. Vesper Martini, setzt aber neben Gin und Kina Lillet noch auf einen Hauch Curacao. Da der klassische Kina Lillet seit 1987 nicht mehr hergestellt wird, habe ich ihn durch Cocchi Americano ersetzt und auf den sehr gelungenen Pierre Ferrand Dry Curacao vertraut. Entgegen Mr. Craddocks Vorschlag, den Drink zu schütten, habe ich ihn dennoch gerührt. Mögen er und ggf. auch Mr. Bond mir vergeben. Das Ergebnis ist jedenfalls ganz wunderbar! Der Drink betont dank des Dry Curacao auch die fruchtige Seite des Hepple Gin, bleibt dabei aber trocken, knackig und voll-aromatisch. Harry Craddock zeigt in seiner Rezeptsammlung, dass er selbst nicht genau weiß, wofür der Name des Drinks eigentlich genau steht. Und so fragt er unterhalb der Rezeptur des H. and H. Cocktails: „Happier and Happier? or Hoarser and Hoarser? or Hazier and Hazier?“. Tja, wer weiß, vielleicht steht die Abkürzung ja am Ende für Hepple and Hepple

Rezept „H. and H. Cocktail“ (angelehnt an H. Craddock, Savoy Cocktail Book, 1930):

6 cl Hepple Gin
2 cl Cocchi Americano
2 Barlöffel Pierre Ferrand Dry Curacao

Zubereitung: Alle Zutaten auf Eis kalt rühren und ins vorgekühlte Glas abseihen. Mit Öl einer Orangenzeste besprühen.

Glas: Martini oder Goblet

Garnitur: Orangenzeste

Achja, eine weitere Neuheit (gut, ich bin ggf. etwas spät dran mit dieser Bezeichnung) aus dem Hause Tender Spirits steht heute ebenfalls noch im Fokus: Supasawa – Seriously Sour Cocktail Mixer. Hierbei handelt es sich um nicht und nicht weniger als eine Alternative zu Zitronen- und Limettensaft auf Basis destillierten Wassers mit Zitronensäure, Apfelsäure, Phosphorsäure, Weinsäure, Bernsteinsäure, Salz, Zucker und Natriumbenzoat. Zugegeben, das lässt absolut die Stirn runzeln und wirft die Frage auf: braucht man so etwas? Die Antwort ist hier sicherlich nicht pauschal zu geben. Insbesondere für den Bargebrauch verspricht Supasawa natürlich eine immense Arbeitserleichterung und Zeitersparnis. Andererseits vermag man sich nicht vorstellen wollen, Limetten- und Zitronensaft durch eine künstlich hergestellte Säurequelle ersetzen zu wollen. Aber zum Glück will das in dieser Form auch niemand. Weder der belgische Hersteller, noch Tender Spirits, noch ich in Zukunft hier im Blog. Dennoch will ich die Frage noch etwas beleuchten, wie es sich von den beiden natürlichen Säften unterscheidet. Und auch, wie ich mir einen Einsatz (auch zuhause) vorstellen kann.

Ein direkter Vergleich von Säurequellen ist natürlich insofern etwas schwierig, weil sie für gewöhnlich nicht pur verkostet werden. Aber da ich auch heute keine Gefahren scheuen wollte, habe ich meine Gesichtsmuskeln nochmal gestrafft und mich ins hoffentlich lustig machende Vergnügen des Säuretests gestürzt.

Der ultimative Säuretest

Und hier schneidet Supasawa überraschend passabel ab. Allerdings ist es in der Tat kein Ersatz für richtige Säfte. Besonders die fruchtige Frische ist es, die mir hier fehlt. Im Vergleich zum klassischen Zitronensaft fällt mir vor allem auf, dass die Zitrone einfach einen größeren Frischekick mit sich bringt, dafür aber etwas stärker an die Geschmacksknospen geht. Und gegenüber der Limette fehlt Supasawa einfach die charakteristisch würzige Note, ohne die zahlreiche Cocktailklassiker einfach nicht das Gleiche wären. Tja, wer also glaubt, spur- und veränderungslos seine Säfte durch Supasawa ersetzen zu können, der liegt falsch. Was aber Supasawa auf jeden Fall kann, ist, eine passable Säurealternative anzubieten, die tatsächlich in Drinks auch funktioniert. Und hier ist sicherlich vor allem die völlig klar-transparente Farbe interessant, denn man hat hier ein Mittel in der Hand, um endlich klare Sours herstellen zu können oder Highballs eine optisch spannende Note zu verleihen. Das habe ich auch in einem Tom Collins ausprobiert, für den ich zu diesem Zweck zunächst Gin, Zucker und Supasawa in einem Rührglas gerührt (ich wollte auf Nummer sicher gehen und keine Trübung durchs Shaken riskieren) und schließlich mit Soda im Highballglas aufgegossen habe. Schmeckt ein klein wenig anders, aber sehr gut. Und optisch macht es wirklich was her!

Kurzum: Alternative zu Limette- und Zitrone: ja, wenn man weiß, was man möchte und worauf man verzichtet. Ein vollständiger Ersatz ist es jedoch nicht.

Bezugsquellen: Im Fachhandel oder online.

*Der Umstand, dass mir diese Produkte zu redaktionellen Zwecken unentgeltlich zur Verfügung gestellt worden sind, bedeutet nicht, dass in irgendeiner Weise Einfluss auf den Artikelinhalt oder meine Bewertung genommen wurde. Vielmehr ist es für mich stets unverrückbare Bedingung, völlig frei und unbeeinflusst rezensieren zu können.

5 thoughts on “Hepple Gin, Supasawa & der H. and H. Cocktail

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