Als Autor von Spirituosenrezensionen ist man natürlich um eine gewisse Objektivität bemüht. Zwar hoffe ich, dass es an dieser Stelle nicht nötig ist, auf die Unmöglichkeit zu verweisen, eine solche vollständig zu erreichen, aber dennoch bleibt sie als leuchtendes Ideal irgendwo im Blick. Ok, das klingt irgendwie pathetischer als beabsichtigt, aber eigentlich will ich ja auch nur unterstreichen, dass ich mich nicht so schnell von Äußerlichkeiten blenden lasse. Oder tue ich das doch? Nun, ich muss zugeben, heute ist es mir nicht so wirklich leicht gefallen! (zugesandtes Testprodukt)*
Der Lind & Lime Gin aus der jungen schottischen Port of Leith Distillery in Edinburgh macht es einem aber auch wirklich nicht leicht, denn das Design der Flasche ist wirklich auffällig schön. Na gut, jetzt wird es eben doch ziemlich subjektiv, aber hey, ich bin eben auch nur ein Mensch. Die längs geschliffene Flasche aus aquamarinfarbenem Glas erinnert in ihrer Form an französische Weinflaschen (und mich auch ein kleines bisschen an die – ebenfalls wirklich schmucke – Isle of Harris Gin-Flasche). Also, ich resümiere noch einmal: mir gefällt diese Flasche ausgesprochen gut.
So, Schluss jetzt mit den Äußerlichkeiten! Im Inneren der Flasche befindet sich Gin, London Dry Gin um genau zu sein (der Purist nimmt das wohlwollend zur Kenntnis). Und wer beim Namen des Gins nun fälschlich Lindenblätter oder -blüten unter den Botanicals erwartet, dem sei doch zunächst noch eine kurze Information mitgegeben: Hinter dem Begriff Lind verbirgt sich nicht das Lindenblatt, sondern der Name eines schottischen Schiffsarztes. James Lind ist ein bekannter Sohn der Stadt Edinburgh, dem diese Abfüllung gewissermaßen gewidmet ist. Was aber hat der nun mit Lime zu tun? Nunja, vermutlich kennt so ziemlich jeder noch aus Schultagen die Geschichte vom Zitronensaft bzw. Zitrusfrüchten als Mittel gegen Skorbut an Bord von Schiffen? Diese Entdeckung geht auf eben jenen James Lind zurück! Und da im Gin u.a. ein Schwerpunkt auf Limetten gesetzt wurde, heißt er eben „Lind & Lime Gin“. Neben der Limette nennt der Hersteller selbst v.a. Wacholder (Überraschung!) und rosa Pfeffer als Hauptbotanicals. Insgesamt sind es jedoch sieben und man verwendet ferner Veilchenwurzeln, Angelikawurzeln, Süßholz und Koriandersamen. Gebrannt wird der Gin auf einer 500-Liter-Stahldestillationsanlage, um dann im Anschluss mit 44% vol. in die Flasche zu kommen.
Nun also die inneren Werte im Detail!
Tasting Notes:
Aroma: Die Grenzen zwischen Wacholder und rosa Pfefferkörnern verschwimmen gleich von Beginn an auf eine sehr harmonische und schöne Art und Weise. Die roten Pfefferbeeren erzeugen ein authentisches Bild, aber auch feine Assoziationen von Szechuanpfeffer kommen auf. Beim weiteren Riechen ist es dann die Limette, die sich ebenfalls glaubhaft zeigt und sowohl Noten von Schalen als auch der eigentlichen Frucht aufweist. Gewürze offenbaren sich zunächst zaghaft, dann aber selbstbewusster, vor allem Koriandersaat und Süßholz runden das Aromenbild ab. Ja, der Lind & Lime Gin gefällt mir in der Nase ausgesprochen gut.
Geschmack: Der Wacholder haut mich um! Und direkt frage ich mich, ob ich einer Illusion aufsitze, die am Gaumen ebenfalls durch das Zusammenspiel mit rosa Pfeffer entsteht: selten kam mir der Wacholder so aromatisch und rund vor wie hier. Ich hätte beim allerersten Anblick der Flasche nie gedacht, dass hier ein satter London Dry auf mich wartet, dessen Wacholder mir Respekt abnötigt. New Western Dry? Von wegen! Dennoch: Limetten sind auch hier zugegen, was ganz wunderbar funktioniert. Der Lind & Lime Gin ist würzig, wacholdertönig mit einer untermalenden Zitruscharakteristik, die mir in Kombination so noch nicht untergekommen sind. Meinen Respekt nach Edinburgh!
Abgang: die Trinität aus Wacholder, rosa Pfeffer und hier etwas eher abflauender Limette hält sich auch im mittellangen bis langen Abgang, der Lust darauf macht, mit einem weiteren, aromatischen Schluck den Hals zu benetzen.
Tatsächlich war es die würzige Kombination aus rosanem Pfeffer und Wacholder, die mir die Idee zum heutigen Drink gegeben hat. Ich wollte etwas Sommerlich-Exotisches kreieren, das nicht zu süß und eintönig daherkommt. Da ich die Limettennoten im Gin nicht einfach mit Limettensaft erschlagen und auch aus Gründen der optischen Präsentation keinen trüben Saft hinzuziehen wollte, habe ich mich für Supasawa als Säurequelle entschieden. Etwas Mondino Amaro Bavarese sorgt für Tiefgang und feine Bitternoten. Entgegen der vermeintlichen Erwartung wird der Drink gerührt und nicht geschüttelt. Achja, benannt habe ich den Drink nach einem Roman von Mario Vargas Llos: „The Way to Paradise“. Irgendwie kam mir der Name des Romans beim ersten Schluck in den Sinn – und das habe ich dann nicht mehr weiter hinterfragt.
Rezept „The Way to Paradise“:
5 cl Lind & Lime Gin
1,5 cl Mondino Amaro Bavarese
3 cl Supasawa
2 cl Passionsfruchtsirup (s.u., im Notfall funktioniert auch ein Fertigprodukt, ggf. Menge anpassen)
2 Dashes By the Dutch Ginger Bitters
Passionsfruchtsirup: Einfach Passionsfrüchte halbieren und das Fruchtfleisch herausschaben. Fruchtfleisch mit Zucker im Gewichtverhältnis 1:2 in einer Pfanne erhitzen und etwa 10 Minuten köcheln lassen. Schließlich durch ein feines Sieb streichen, um die Kerne herauszufiltern. Sirup erkalten lassen und luftdicht verschlossen lagern.
Zubereitung: Alle Zutaten im Rührglas kalt rühren und ins mit frischem Eis gefüllte Glas geben.
Glas: Tumbler
Garnitur: etwas rosa Pfeffer
Bezugsquellen: Im Fachhandel oder online
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