Und wieder wird es heute um Cachaça gehen. Zwar habe ich bereits in meinem letzten Artikel auch bei der Verkostung des Cachaça Espírito de Minas auf Unterschiede zum Magnífica de Faria Cachaça verwiesen (welchen ich wiederum vor diesem hier rezensiert habe), doch an wem das alles vorbeigegangen ist, dem sei eben hier an diese Stelle gleich noch einmal ein Blick auf die beiden Artikel empfohlen. Denn wenn ich mich im Folgenden dem Cachaça Santo Grau widmen werde, werden auch dort wieder Querverweise auftauchen, die einen Vergleich zu den anderen beiden Cachaças aufzeigen werden. Aber der Reihe nach! (zugesandtes Testprodukt)*
Bereits auf dem Flaschenetikett des Cachaça Santo Grau erfahren wir, dass es sich auch bei diesem Cachaça um ein Produkt aus dem südöstlichen Bundesstaat Minas Gerais handelt (auch der Cachaça Espírito de Minas stammt aus dieser Region). Wie bereits im letzten Artikel erwähnt, handelt es sich hier um das berühmteste und größte Produktionsgebiet von Cachaça in der Föderativen Republik Brasilien. Das Zuckerrohr für diesen Cachaça stammt aus der ältesten Zuckerrohrfabrik des ganzen Landes in Coronel Xavier Chaves (wo man bereits seit 1755 Zuckerrohr brennt). Nach der Destillation lässt man den Santo Grau für 6 Monate in 250 Jahre alten Steintanks reifen (ungereift ist also auch dieses Destillat nicht – im Gegensatz zur Holzfassreifung lässt die Steintankreifung allerdings eine gänzlich andere Geschmackswelt erwarten).
Abgefüllt wird der preislich um 30 Euro liegende Cachaça mit 40% vol.
Wie aber kann man sich nun geschmacklich einen in alten Steintanks gereiften Cachaça vorstellen?
Tasting Notes:
Aroma: Der Santo Grau tanz im Vergleich zum Magnífica de Faria Cachaça und dem Cachaça Espírito de Minas am weitesten aus der Reihe. Das geht jetzt nicht so weit, dass man hier ein anderes Getränk im Glas vermeint, sondern bezieht sich vor allem auf die Grundcharakteristik. Zuckerrohr ist auch hier, na klar, aber es wirkt anders, etwas würziger (was erstaunlich ist, da hier ja kein Kontakt mit Fassholz vorliegt) und kräutriger. Gras, Zitrusfrüchte und Papaya sind da, eine sehr besondere Vanille, die an Crème Brûlée erinnert und brauner Zucker (passend zur Crème Brûlée) sowie – im Kontrast – ein wenig Steinsalz.
Geschmack: Ok, auch am Gaumen ist das hier der stärkste Abweichler. Da ist die sehr ansprechende Grundcharakteristik eines Zuckerrohrbrandes mit holzigen Noten, aber eben auch eine sehr spezielle, würzig-kräutrige Note, die weder der Magnífica de Faria Cachaça noch der Cachaça Espírito de Minas in dieser Form besitzen. Es erinnert mich ein wenig an Moos, dann wieder an Löwenzahn. Dazu kommt tatsächlich eine mineralische Note (ob diese aus den Steintanks stammt, kann ich nicht sagen; es ist aber schwer vorstellbar) mit Salz und mildem, weißem Pfeffer. Ein sehr schöner und anderer Cachaça.
Abgang: mittellang, sanft und würzig-mineralisch
Der Drink, den ich heute mit dem Cachaça Santo Grau zubereiten wollte, führt uns im Grunde zunächst ins Hamburger Le Lion. Dort hat in den ersten Jahren der inzwischen mit eigenen Bars in Berlin prominent vertretene Gonçalo de Sousa Monteiro einen Cocktail namens Comte de Sureau kreiert, der eine Mischung aus Gin, Campari und St. Germain ist. Natürlich ist die Ähnlichkeit zum Negroni hier kein Zufall – genau so wenig wie der Umstand, dass der Drink mir deshalb auch sehr gefällt. Inspiriert von diesem Comte de Sureau ersann wiederum der mit Sousa Monteiro befreundete Jeffrey Morgenthaler seinen Caneflower Cocktail bei dem (neben einer leichten Umgewichtung der Anteile) im Wesentlichen Cachaça (in seinem Rezept der Novo Fogo Silver) die Rolle des Gins übernimmt (zudem hat Morgenthaler den Campari durch Aperol ersetzt – ich mache das aber wieder rückgängig). Und hier schien mir der Santo Grau geradezu perfekt geeignet zu sein, was sich auch bestätigt hat, mir gefällt er so noch besser als mit dem Novo Fogo. Et Voila: der Caneflower Cocktail nach Jeffrey Morgenthaler.
Rezept „Caneflower Cocktail“ (leicht veränderte Version, adaptiert von Jeffrey Morgenthaler, 2009):
4,5 cl Santo Grau Cachaça
2,25 cl Campari
1,5 cl St. Germain Holunderblütenlikör
Zubereitung: Alle Zutaten auf Eis kalt rühren und ins vorgekühlte Glas abseihen. Mit dem Öl einer Zitronenzeste besprühen.
Glas: Coupette
Garnitur: Zitronenzeste
Bezugsquellen: Im Fachhandel oder online.
Cool! Vielen Dank!
Vielen Dank für die Vorstellung dieses sehr interessanten Cachaças!
Hast du den Caneflower Cocktail auch mal mit den anderen beiden versucht?
Funktioniert der Trink mit dem Santo Grau dennoch auch mit Aperol oder ggf mit einem anderen Amaro, wie zB Mondino, wenn man mit Campari nicht so viel anfangen kann?
Ich habe ihn mit dem Magnifica gemacht, schmeckt hervorragend. Ich vermute, dass er auch mit einem Clairin oder z.B dem Hinton Rum Natural wunderbar schmeckt.
Ich habe bei der zweiten Charge den Campari durch den Muyu Chinotto Nero ersetzt (was ich auch ab und zu im Negroni mache), und es schmeckte auch gut, aber die Campari-Variante ist einfach ein bisschen knackiger
Hallo, das ist eine gute Idee, ich bin selbst aber auch meist klarer Campari-Fan.
Nein, ich habe ihn nur mit dem Novo Fogo gegenverkostet, da dieser eben im Originalrezept auftaucht und ich den auch hier habe. Ich lehne mich aber nicht zu weit aus dem Fenster, wenn ich behaupten würde, dass die sicherlich auch funktionieren. Ohnehin reden wir bei den verschiedenen Cachacas hier schon über klare Unterschiede, die jetzt aber nicht so krass ausfallen wie zwischen einem weißen Kubaner und einem Clairin oder so.
Wenn Du Campari nicht so schätzt, würde ich tatsächlich zu Aperol greifen, der ist ja ursprünglich auch im Rezept angegeben. Der ist halt weniger bitter und etwas fruchtiger.