Wenn man hier in Westfalen eine alte, traditionsverwurzelte Kneipe aufsucht und dort einige Zeit sich umsieht, dürfte es nicht lange dauern, bis man einige – vermutlich ältere – Männer dabei beobachten kann, wie sie sich ein Herrengedeck gönnen. Das besteht meist aus einem Pils oder einem Export und einem Gläschen Korn. Und das ist er dann auch meist schon gewesen, der Rahmen, in dem einem im Alltag der Korn begegnet: Je nach eigener sozialer Umgebung also quasi nie. (Zugesandtes Testprodukt*)
Die gleiche Szene ist natürlich nicht auf Westfalen beschränkt, sondern dürfte sich auch in weiten Teilen der restlichen Bundesrepublik finden lassen. Zumindest in West und Norddeutschland, wo der Korn eine nicht zu unterschätzende Tradition hat. Jedoch nicht unbedingt als eine Art High-End-Spirituose. Dabei verwundert das bei näherer Betrachtung sogar etwas, weil er eigentlich vom Grundsatz her das Potential mitbringt, eine durchaus spannende Bereicherung der Bar- und Cocktailwelt zu sein. Aber viele Kornhersteller sind eben selbst eher traditionsverwurzelt und zeigen nicht unbedingt überbordende Ambitionen, zu neuen Trendsettern zu werden. Aber was ist eigentlich genau Korn?
Im Grunde ist die Antwort recht einfach: Korn ist eine aus Getreide hergestellte Spirituose – man hätte es sich denken können. Er muss mindestens 32 % vol. aufweisen, ab 37,5% vol. darf er sich auch Kornbrand nennen oder wird gar als Doppelkorn geführt. Er wird hergestellt, indem einer aus Getreide hergestellten Sauermaische Malz zugegeben wird, was wiederum durch den enthaltenen Malzzucker die Sauermaische zur Süßmaische werden lässt. Diese wird dann wiederum mit Hefe zum Gären gebracht und schließlich mehrfach destilliert und auf Trinkstärke herabgesetzt. Anschließend werden einige Kornbrände auch noch in Eichenfässern gelagert. Qua Gesetz dürfen für einen Korn Weizen, Gerste, Hafer, Roggen und sogar Buchweizen als Getreidegrundlage verwendet werden – oder eine Mischung daraus. Findige Leser mögen bereits bemerken, dass dies mitunter dazu führen kann, dass ein Korn starke Ähnlichkeit zu anderen Spirituosen aufweisen kann. Dies hat z.B. auch schon zum skurrilen Umstand geführt, dass im Jahr 2010 ein deutscher Korn als bester Whisky Kontinentaleuropas ausgezeichnet worden ist. Eine Ehre, die sicherlich überrascht und die natürlich auch nicht für jeden Korn überhaupt in Frage gekommen wäre. Unter Umständen aber eben schon.
Der heutige Korn tritt nun nicht als Whisky an, sondern eben geradlinig als Korn. Als „Vollkorn“ sogar, wie er sich selbst bezeichnet. Und entgegen meines Einleitungssatzes stammt er auch nicht aus Westfalen, nicht einmal aus West- oder Norddeutschland, sondern aus dem äußersten Süden der Republik, vom Bodensee, wo z.B. auch der B my Gin beheimatet ist. Dort wird er von den beiden Winzerbrüdern Sebastian und Maximilian Schmidt aus regionalem Getreide hergestellt. Die genaue Getreidezusammensetzung verrät der Hersteller zwar nicht, aber dem Namen darf man durchaus entnehmen, dass es hier eben eine kräftige Vollkornmischung mit viel Roggen ist, die für das Produkt verwendet worden ist. Der Eugen Schmidt & Söhne Vollkorn ist dabei von Anfang so konzipiert worden, dass er seine Gattungsbezeichnung als programmatischen Fingerzeig versteht: Man möchte nicht mehr und nicht weniger, als eine Spirituose kreieren, die nach frisch gebackenem Brot riecht. Das Destillat, von dem nach Herstellerangaben nur der Hauptlauf verwendet wird (nicht zwangsläufig bei allen Kornbränden der Fall), wird mit Quellwasser hergestellt, welches extra aus dem Schwarzwald bezogen wird. Als Cocktailzutat ist der Vollkorn natürlich sehr interessant, denn in dieser aromatischen Richtung müsste ich nun wirklich überlegen, um überhaupt auf eine entsprechende Spirituose zu stoßen. Hervorzuheben ist übrigens auch die schöne 0,5-Liter Flasche zum Preis von etwa 35 Euro, die in einem rustikalen Stoffsäckchen und mit schönem, an einer Schnur um den Flaschenhals wachsversiegelten Korken daherkommt. Der Vollkorn wird mit 40% vol. abgefüllt.
Doch jetzt soll der Vollkorn zunächst einmal pur verkostet werden.
Tasting Notes:
Aroma: Tatsächlich strömen einem unglaublich intensive Röstaromen entgegen, die sofort Assoziationen einer rustikalen Backstube wecken. Es riecht nach geschrotetem Roggen, nach süßem Malz und frisch gebackenem Brot. Dahinter finden sich feinere Noten von Kümmel und Nüssen und auch etwas Marzipan ist zu vernehmen. Ganz subtil zeigen sich zudem ein wenig Zitrusschale, hellere Früchte und eine ein wenig an Żubrówka erinnernde Süßgrasnote.
Geschmack: Auch hier bestätigt sich eindrucksvoll der Eindruck aus der Nase. Es schmeckt nach süßlichem, kräftigen Roggenbrot, Malz und wieder ein wenig Marzipan, dazu eine Idee Zimt mit einer karamelligen, zunehmenden Süße. Ein toller Geschmack, ich bin sehr positiv überrascht!
Abgang: Roggenbrot und eine feine, malzige Süße.
Bezugsquellen: Im Fachhandel oder online.
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Interessant!
Definitiv!
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Es ist aber cool. Ich mag solche edele Getränke!