Es ist noch nicht so lange her, da las ich die Ankündigung des Hauses Ferrand, nun in Deutschland auch zwei japanische Rums vertreiben zu wollen. Japanische Rums lassen natürlich aufhorchen, denn seit die Japaner den Ruf als Premiumhersteller im Whiskybereich ein für alle Mal zementieren konnten, ist man in der Spirituosenwelt regelrecht verrückt nach allem, was aus Japan kommt. Seien es nun Whiskys, Gins, genuine japanische Spirituosen wie Shōchū, aber eben neuerdings auch Rum. (zugesandte Testprodukte)*
Es ist noch gar nicht so lange her, da habe ich hier im Blog mit dem Ryoma Rum eine Art japanischen Rhum Agricole rezensiert – und seit Teile des Rummarktes immer mehr Fahrt aufnehmen und auch Sammler zunehmend den Zuckerrohrbrand für sich entdecken, wirkt es nur konsequent, dass der Wettstreit anwächst.
Also gut, werfen wir doch einmal einen genaueren Blick auf die beiden Flaschen. Es handelt sich bei den beiden Rums um einen ungereiften, weißen Rum namens Kiyomi und um einen fünf Jahre gereiften Rum namens Teeda. Beide stammen aus der Helios-Destille in Nago auf Okinawa Hontō in der Präfektur Okinawa. Okinawa Hontō ist die Hauptinsel der Ryūkyū-Inseln und liegt weitab (mehr als 500 Kilometer) der vier großen Hauptinseln Japans im Ostchinesischen Meer. Auf den Inseln der Präfektur herrscht subtropisches Klima vor, was natürlich für die Zuckerrohrproduktion signifikant ist. 1961 wurde diese Destille von Tadashi Matsuda gegründet. Man verwendet im Hause Helios ausschließlich regionale Rohstoffe, das Zuckerrohr stammt also von umliegenden Plantagen. Inzwischen wird in der Destille in dritter Generation unter der Führung von Tadashis Sohn und seinen Töchtern gebrannt, neben Rum übrigens auch noch zahlreiche andere Brände.
Der Kiyomi Rum wurde einfach auf kupfernen Pot Stills gebrannt und basiert – wie auch der Teeda – auf Zuckerrohrmelasse. Mein eingangs verwendetes Attribut „ungelagert“ trifft streng genommen nicht ganz zu, denn nach dem Brennvorgang gewährte man dem Kiyomi noch eine gewisse Ruhezeit in Stahltanks (eine genaue Zeitangabe wird nicht gemacht). Der Teeda hingegen reifte für 5 Jahre in Fässern aus amerikanischer Weißeiche, die wohl zuvor Bourbon enthalten haben. Beide Rums werden mit 40% vol. abgefüllt.
Tasting Notes „Kiyomi“:
Aroma: Sehr fruchtig und „vegetal“ zeigt sich dieser Rum, er erinnert mich in der Nase tatsächlich ein wenig an haitianischen Clairin. Ich finde etwas Ananas, gekochtes Obst (Birnen, Pfirsiche), Zucchini, dahinter ein leicht kräutriger Einschlag mit äußerst subtilen Assoziationen von Rosmarin. Im Vergleich zu einem eher klassischen, weißen Rum-Archetyp (etwa einem dreijährigen Havana Club oder einem Plantation Three Stars) findet man hier deutlich mehr Frucht – sowie unter dem Strich überhaupt ein sehr starkes Aroma. Tatsächlich ist auch ein minimaler Rauch zu entdecken, der allerdings erst nach einiger Zeit zum Vorschein kommt.
Geschmack: Am Gaumen zeigen sich die Fruchtnoten etwas weniger dominant, sind aber auch hier zugegen. Wieder Ananas, gekochtes Obst und grünliche Noten von Zuckerrohr, dazu ein ausgeprägter, weißer Pfeffer. Für einen Melasserum sind doch erstaunliche Parallelen zu einem Rhum Agricole vorhanden. Der Alkohol ist sehr gut eingebunden und wirkt sich nicht im Geringsten störend aus.
Abgang: eher trocken mit Ananas und grünlich-holzigen Tönen
Tasting Notes „Teeda“:
Aroma: Ok, das hier ist ungewöhnlich! Ich finde deutliche Aprikosentöne, aber auch Noten, die an gereiften Käse erinnern. Dazu zeigt sich Honigsüße und eine feine, leicht säuerliche Note wie von eingelegten Zitronen, dann Mango und Orangen. Im Vorfeld bin ich auch auf die Assoziation von Fanta gestoßen, die einige Verkoster hier beschrieben haben – und tatsächlich ist das nicht ganz aus der Luft gegriffen. Ein sehr exotischer Duft, der weniger an einen gereiften Rum, als vielmehr an einen Tikicocktail denken lässt.
Geschmack: Auch am Gaumen weiß ich auf Anhieb gar nicht so recht, was ich hier alles isolieren kann. Da sind wieder exotische Früchte: Mangos, Aprikosen, dann wieder eingelegte Zitronen, Oliven, tatsächlich Fanta, eine vegetale Note von gekochtem Gemüse, kandierte Kirschen, Zimt, grünes Holz, Honig und etwas Szechuan-Pfeffer. Das ist mal ein ungewöhnlicher Brand, wow!
Abgang: Ananas und Aprikose mit hölzernem Einschlag, relativ trocken
Wie lautet also mein Fazit? Wir haben es hier fraglos mit sehr ungewöhnlichen Rums zu tun. Wer einen klassischen Rum sucht und mit vertrauten Aromen sein Glück finden möchte, sollte lieber zu anderen Zuckerrohrbränden greifen. Wer allerdings über den Tellerrand schauen möchte und einmal mehr den Beweis erleben will, wie vielfältig, einzigartig und überraschend die Rumkategorie sein kann, der kann hier bedenkenlos zugreifen! Denn beide Rums sind aromatisch und geschmacklich absolut gelungen, aber eben exotisch und unkonventionell.
Natürlich habe ich mich auch an zwei Cocktails gemacht, die jeweils einen der beiden Rums in Szene setzen. Zunächst habe ich mit dem Kiyomi gegonnen und mich hier für einen frisch-würzigen Highball entschieden, der im Glas selbst gebaut wird. Auch hier gilt: Wer den Kiyomi selbst nicht mag, wird auch mit diesem Highball nicht glücklich, denn seine Eigencharakteristik wird hier nicht besonders stark überdeckt. Dafür bekommt er mit etwas Kaffirsirup, der aus bzw. mit Kaffirlimettenblättern zubereitet wird, eine sehr schöne Frisch, die eben auch mit einer komplexen Würze daherkommt. Vor allem aus optischen Gründen – und weil der Drink im Glas gebaut wird – habe ich mich als Säurequelle für Supasawa entschieden. Ein Dash The Bitter Truth Tonic Bitters rundet das Ganze ab, bevor mit Sodawasser aufgegossen wird. Der Highball hört auf den Namen Lime Chime.
Rezept „Lime Chime“:
4,5 cl Kiyomi Japanese Rum
2 cl Kaffir-Sirup (s.u.)
2,5 cl Supasawa
1 Dash The Bitter Truth Tonic Bitters
Sodawasser
Kaffir-Sirup: Auf je 250 ml Wasser eine kleine Hand voll Kaffirlimettenblätter geben und für ca. 10 Minuten in einem Topf köcheln lassen. Schließlich 250g Zucker zugeben und weitere 10 Minuten köcheln lassen. Dann Herd ausschalten und Sirup erkalten lassen. Erst nach dem Erkalten die Kaffirlimettenblätter aus dem Sirup entfernen und in ein luftdichtes Gefäß umfüllen.
Zubereitung: Der Drink wird im Glas direkt gebaut. Einfach alle Zutaten bis auf das Sodawasser auf Eis in ein Highballglas geben, umrühren und mit Sodawasser aufgießen.
Glas: Highball
Garnitur: Kaffirlimettenblatt
Dem gegenüber steht ein Shortdrink, der vom klassischen Sazerac inspiriert wurde. Hier habe ich die exotischen Noten des Teeda mit etwas Olea Saccharum unterstrichen, vier Dashes Angostura Bitters (also etwas mehr) zugegeben und das Glas zuvor mit Chartreuse Verte „ausgewaschen“. Ein ziemlich schlichter Drink (zugegeben, man muss Oleo Saccharum herstellen, aber das braucht man für andere Drinkklassiker nunmal auch), den ich Okinawa Dew getauft habe.
Rezept „Okinawa Dew“:
6 cl Teeda 5 Years Old Japanese Rum
2 Barlöffel Oleo Saccharum (s.u.)
4 Dashes Angostura Bitters
Chartreuse Verte
Oleo Saccharum: Zesten von 10 Zitronen (ja, tatsächlich, sorry) mit einem Sparschäler rundherum abschneiden und in einen Vakuumierbeutel geben. Schließlich mit vier gehäuften Esslöffeln Zucker vermischen und den Beutel dann vakuumieren. Für 12 bis 24 Stunden ruhen lassen. Dann aufschneiden und das Oleo-Saccharum abgießen (es handelt sich dabei um einen öligen Sirup, der sich gebildet hat) und in einem luftdicht verschlossenen Behälter lagern. Hält sich mindestens einige Wochen.
Zubereitung: Alle Zutaten (bis auf Chartreuse verte) in einem Rührglas auf Eis kalt rühren. Ein Goblet- oder Coupette-Glas mit etwas Chartreuse Verte füllen und so lange drehen und schwenken, bis die Innenfläche des Glases vollständig benetzt ist, den Rest abgießen. Den Inhalt des Rührglases durch ein Barsieb ins mit Chartreuse „ausgewaschene“ Glas abseihen und mit dem Öl einer Zitronenzeste besprühen.
Glas: Goblet oder Coupette
Garnitur: Zitronenzeste
Bezugsquellen: Im Fachhandel oder online
*Der Umstand, dass mir diese Produkte zu redaktionellen Zwecken unentgeltlich zur Verfügung gestellt worden sind, bedeutet nicht, dass in irgendeiner Weise Einfluss auf den Artikelinhalt oder meine Bewertung genommen wurde. Vielmehr ist es für mich stets unverrückbare Bedingung, völlig frei und unbeeinflusst rezensieren zu können.