Pure Spirits: Tokiwa Kome Shōchū & Tokiwa Mugi Shōchū

Shōchū (焼酎) gilt als die traditionelle Spirituose Japans. Während der gebraute Sake als „Reiswein“ in niedrigeren Alkoholbereichen reüssiert und der Umeshu ein i.d.R. auf Shōchū-Basis hergestellter Likör ist, so ist der Shōchū selbst gewissermaßen die reine, genuin-japanische Spirituose. Manchmal wird er auch als japanischer Wodka bezeichnet, was allerdings keine wirklich tragfähige Bezeichnung ist. Doch was genau ist die japanische Spirituose? Und wie schmeckt Shochu? (zugesandte Testprodukte*)

Diesen und weiteren Fragen möchte ich heute noch einmal nachgehen. Ich sage „noch einmal“, weil ich zumindest Grundzüge der Shōchū-Herstellung bereits in meinem Artikel über drei Umeshus aus dem Hause Choya angerissen habe. Ein bisschen über das dort Genannte möchte ich allerdings heute hinausgehen. Wie jedoch auch beim Sake (mehr dazu in meinem Artikel über den Gekkeikan Nouvelle Tokubetsu Honjozo) gilt auch hier: eine enzyklopädisch erschöpfende Behandlung des Themas möchte ich nicht bieten, da diese abermals den Rahmen sprengen würde.

Shōchū ist – so viel hatte ich im oben genannten Artikel bereits erklärt – eine Spirituose, die aus verschiedenen stärkehaltigen Grundstoffen gewonnen werden kann. Zu diesen zählen natürlich Reis, Gerste, Süßkartoffeln, aber auch Zuckerrohr, Edelkastanien, Buchweizen (aus dem man in Japan auch sehr gesunde Nudeln herstellt) und tatsächlich gibt es auch einen Hersteller, der seinen Shōchū aus Milch herstellt. Der Name bedeutet übersetzt so viel wie „Branntwein“ und wurde letztlich vermutlich aus dem chinesischen oder koreanischen Kulturraum nach Japan gebracht. Wann genau er in Japan erstmalig unter dem Namen Shōchū hergestellt worden ist, lässt sich nicht mehr herausfinden. Die Wiege und gleichzeitig wichtigste Produktionsstätte des japanischen Shōchū liegt jedenfalls im Süden der Insel Kyūshū in der Hafenstadt Kagoshima. Die ältesten schriftlichen Aufzeichnungen über Shōchū reichen bis ins 16. Jahrhundert und gehen auf den spanischen Jesuiten Francisco de Xavier zurück, welcher bei seiner Beschreibung des japanischen „Araks aus Reis“ zudem anmerkt, er habe noch nie einen betrunkenen Japaner herumlaufen gesehen, da diese sich beim Einsetzen der Trunkenheit sofort schlafen legen würden.

Eine typische, hölzerne „Pot Still“ in der Shōchūproduktion (Free Wikimedia License)

Bei der Herstellung wird der Ausgangsstoff mit einem speziellen weißen Kōji-Schimmelpilz versetzt und über einen mehrere Wochen umspannenden Zeitraum fermentiert. Je nach Shōchū-Typ wird anschließend ein- oder mehrfach destilliert und gelagert (meist in Stahltanks, aber auch Fasslagerungen sind möglich). Mehrfach destillierte Shōchūs werden auch als kōrui shōchū (焼酎甲類) oder Klasse A-Shōchū bezeichnet, die einfach destillierten als otsurui shōchū (焼酎乙類) oder Klasse B-Shōchūs. Von den Bezeichnungen Klasse A und Klasse B sollte man sich hier allerdings nicht irritieren lassen, denn (zumindest für mich und vermutlich die meisten Cocktailinteressierten) der eindeutig interessantere Shōchū entstammt hier der Klasse B. Mit jeder Destillation gehen bestimmte geschmackstragende Stoffe verloren und so wundert es wenig, dass die meisten kōrui shōchūs völlig geruchs- und geschmacksneutral sind. Zwar wird ausgerechnet diese Sorte oft für den Gebrauch in Cocktails „empfohlen“, aber wie so oft, wenn etwas für Cocktails empfohlen wird, ist es leider in Wahrheit genau umgekehrt (es sei denn, man trinkt ausschließlich der Wirkung halber, wovon ich Abstand nehmen möchte). Die otsurui shōchūs hingegen bewahren sich ihren eigenen Charakter, der im Fermentationsprozess und basierend auf dem verwendeten Rohstoff seinen Anfang genommen hat.

Die Bezeichung als „japanischer Wodka“ macht somit für die Klasse A-Shōchūs schon irgendwo Sinn, allerdings in letzter Konsequenz nicht ganz, da der Alkoholgehalt von Shōchū klassisch deutlich unter dem von Wodka liegt. Während zumindest die Europäische Union für Wodka einen Mindestalkoholgehalt von 37,5% vol. vorsieht, so liegt die klassische Alkoholstärke eines Shōchū bei 25% vol. (es gibt aber auch deutlich stärkere, 35% vol. sind ebenfalls verbreitet, vereinzelt geht es auch bei 43% vol. nach oben – hier müsste man dann also das mit dem Wodka tatsächlich nochmal neu diskutieren).

Die beiden Flaschen, die ich hier heute vorstellen und auf Herz und Nieren bzw. Geruch und Geschmack hin prüfen möchte, gehören entsprechend beide zu den Klasse B-Shōchūs. Sie hören auf die Namen Tokiwa Kome und Tokiwa Mugi und wurden aus Reis bzw. aus Gerste hergestellt. Sie entstammen der Sakebrauerei und Destille Ninki Inc. in Nihonmatsu. Beide weisen den klassischen Alkoholgehalt von 25% vol. auf und kommen in schlichten, aber schönen Milchglasflaschen daher.

Der Tokiwa Mugi Gersten-Shōchū blickt nach der Destillation auf eine dreijährige Reifungszeit zurück (ich vermute in Stahltanks), während ich über die genaue Reifezeit des Tokiwa Kome nichts Näheres in Erfahrung bringen konnte (ich vermute aber, dass diese sich ähnlich verhält, ggf. etwas kürzer).

Doch nun final zum eigentlichen spannenden Teil, den Tasting Notes!

Tasting Notes „Tokiwa Kome Shōchū“:

Aroma: Zweifelsohne handelt es sich hierbei um eine sehr leichte und subtile Spirituose. Der Reischarakter des Produktes ist dabei sofort präsent und eine gewisse Nähe zum Sake ist nicht zu verleugnen. Allerdings fällt dieses typische Aroma von leicht gesäuertem Reis mit seinem trockenen, an Fino Sherrys erinnernden Duft hier deutlich leichter als beim Reiswein aus. Von einem säuerlichen Geruch zu sprechen, ist hier dennoch nicht möglich, vielmehr dominiert eine feine Süße, die etwas an Quarkspeisen und – ich mag es kaum sagen – tatsächlich etwas an manch bessere Wodkas erinnert. Der Alkohol ist im Grunde nicht bemerkbar, was bei 25% vol. allerdings auch wahrlich ein schlechtes Zeichen wäre.

Geschmack: sehr fein und filigran liegt der Tokiwa Kome auf der Zunge mit leicht blumigen und süßlich-erdigen Noten entfaltet er nach einiger Zeit zunehmend Nuancen von Reis. Auch eine subtile, grasige Note kommt hindurch. Der Alkohol ist wunderbar weich und keinerlei Schärfe tritt auf. Eine sehr zarte Spirituose, die mir nichtsdestotrotz sehr zu gefallen weiß.

Abgang: trocken mit Noten von Süßgras und Wildreis

Tasting Notes „Tokiwa Mugi Shōchū“:

Aroma: Eindeutig der aromatischere der beiden Shōchūs, was zum einen der Gerste als genuin kräftigerem Ausgangsgetreide, aber sicherlich auch der vermutlich längeren Lagerungszeit geschuldet ist. Während der Tokiwa Kome in der sehr feinen und filigranen Sparte zu Hause ist und sich als Cocktailzutat wohl eher in sehr feinen Rezepten auszeichnen dürfte, ist dem Tokiwa Mugi auch zuzutrauen, sich gegen so manch andere Ingredienz geschmacklich zu behaupten. Ein klarer, würziger Gerstencharakter kommt hervor, wie er manchem Moonshine Whiskey eigen ist. Auch fühle ich mich etwas an den VOR Icelandic Gin erinnert. Hinter diesem ersten „Gerstenmomentum“ verbirgt sich eine feine und süße Vanille, Frühstückscerealien, dann etwas weißer Pfeffer und tatsächlich sehr feiner, würziger Anis. Entgegen der Etikettierung erinnert mich dieser Shōchū eigentlich weit weniger an einen Wodka als der Tokiwa Kome. Gefallen tun sie mir dennoch beide auf ihre Art.

Geschmack: Auch am Gaumen bestätigt sich, was die Nase erahnen ließ. Ein distinguierterer, würzigerer Charakter mit feinen Röstaromen, süßlicher Gerste, Assoziationen von Milchreis und einem ganz feinen Kräutereinschlag.

Abgang: trocken mit Noten von Gerste und Reiswaffeln

Bezugsquellen: Beide Shōchūs sind über das Berliner Sake-Kontor zu beziehen.

*Der Umstand, dass mir dieses Produkt zu redaktionellen Zwecken unentgeltlich zur Verfügung gestellt worden ist, bedeutet nicht, dass in irgendeiner Weise Einfluss auf den Artikelinhalt oder meine Bewertung genommen wurde. Vielmehr ist es für mich stets unverrückbare Bedingung, völlig frei und unbeeinflusst rezensieren zu können.

7 thoughts on “Pure Spirits: Tokiwa Kome Shōchū & Tokiwa Mugi Shōchū

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