Die Brennerei Scheibel aus dem Schwarzwald ist über die deutschen Landesgrenzen hinaus vor allem bekannt für ihre qualitativ hochwertigen Obstbrände. Seit 1921 wird im inzwischen von Michael Scheibel geführten Familienunternehmen die Fahne traditioneller Obstdestillate hoch gehalten, aber auch andere, innovative und zeitgemäße Spirituosen (wie z.B. Wodka, fassgereifter Gin o.ä.) werden von Scheibel produziert. Wer sich jedoch ein wenig in der Spirituosenwelt auskennt, wird vermutlich an ein Produkt denken, das im letzten Jahr sehr auf sich aufmerksam machen konnte: Die Moor-Birne. (Zugesandtes Testprodukt*)
Doch was genau ist eigentlich eine Moor-Birne? Zunächst einmal handelt es sich dabei lediglich um die Namensbezeichnung für eines der neuesten Produkte aus der Range der Brennerei Scheibel. Man mag vielleicht geneigt sein, sich eine bestimmte Birnensorte unter dem Begriff vorzustellen, aus der nun einfach ein neuer Birnenbrand hergestellt worden ist. Doch dem ist nicht ganz so. Die Moor-Birne als botanische Sorte gibt es nämlich gar nicht, also muss auch niemand die Gummistiefel auspacken, um demnächst in Sumpfgebieten nach Birnen zu wühlen. Der Hintergrund des Namens ist vielmehr ein anderer, der sich vor allem vor dem Hintergrund des Produktionsprozesses zu diesem besonderen Birnenbrand aufklärt.
Wie auch beim traditionsreichen „Alten Pflümle“, für das die Brennerei Scheibel Fruchtauszüge aus getrockneten Pflaumen verwendet, hatte Michael Scheibel und sein Team die Idee, getrocknete Birnen zu verwenden. Nach einer längeren Experimentalphase legte man sich schließlich auf die Speckbirne fest (auch Steierische Weinmostbirne), die in getrockneter Form in klarem Birnenbrand eingelegt wird. Der so infundierte Birnenbrand wird anschließend in getoasteten Eichenholzfässern gelagert und nach der Fasslagerung abermals mit einem klaren Birnenbrand verschnitten und abgefüllt. Der während dieses Verfahrens entstehende Geschmack soll Züge von torfigem Rauch aufweisen, was letztlich zur finalen Namenstaufe führte. Inwiefern wir hier Vergleiche mit torfigen Whiskys ziehen können, werde ich während der Purverkostung herauszufinden versuchen.
Ich muss gestehen, mir ist die Scheibel Moorbirne, wie wahrscheinlich vielen anderen an der Materie Interessierten auch, vor allem durch Jörg Meyers Loblied bekannt geworden. Er hat durch einen befreundeten Spirituosenhändler eine Flasche davon mit ins Le Lion gebracht und damit eine Variante des Williams Sour ausprobiert, die er mit seinem Team MoBi Sour taufte. Und weil dieser Cocktail für mich quasi gleich mit zur Spirituose gehört, habe ich ihn auch direkt zubereitet und stelle das Rezept hier im Anschluss an die Verkostung mit vor. Die Scheibel Moor-Birne wird mit 40% vol. abgefüllt und kostet zwischen 30 und 40 Euro (700ml).
Achja: Auf der Verpackung wird mit dem Scheibel Auria-Verfahren geworben: Die Brennerei Scheibel hat hier in eine neue Brennanalage 22-karätige Goldplatten einbauen lassen und hat den zugrundeliegenden Birnenbrand in dieser Brennanlage destilliert. Laut Hersteller soll dies zu „besonders filigranen und facettenreichen Edelbränden“ führen. Inwiefern das tatsächlich der Fall ist, vermag ich wirklich nicht zu sagen. Ich nehme die Information einfach so hin, proste dennoch einmal anerkennend in Richtung Marketingabteilung und lasse ansonsten die Scheibel Moor-Birne auf mich wirken.
Tasting Notes:
Aroma: Die Moor-Birne macht ihrem Namen tatsächlich alle Ehre. Ein sehr aromatischer Ersteindruck wartet mit überreifer Birne, Herbstlaub, sehr subtilem Rauch, Honig, Vanille und Gewürzen auf (Zimt, eine Idee Nelke). Ein für einen Birnenbrand unglaublich voller und tiefer Eindruck. Immer wieder kommen mir Assoziationen von Speysidewhiskies in den Sinn, was wohl an den zusätzlich zu vernehhmenden Eichentönen liegt. Die Rauchigkeit der Moor-Birne ist in keinem Fall mit einem Islay Whisky vergleichbar, dafür eher mit einem minimal getorften, blumigen Speysider, wenn man denn schon zu einem Whiskyvergleich greifen will.
Geschmack: Auch geschmacklich überzeugt mich die Moor-Birne vollauf. Eine sehr schöne Tiefe mit voll-aromatischer Birne, Karamell, Gewürzen, etwas Eiche und auch hier wieder Vanille und Honig. Über allem schwebt ein ganz subtiler Rauch, der sich am Gaumen entfaltet.
Abgang: mittellang bis lang mit Gewürzen, Birne und etwas Eiche. Ein toller Birnenbrand.
***
Rezept „MoBi Sour“:
6 cl Scheibel Moor-Birne
2,5 cl Zitronensaft
1,5 cl Rohrzuckersirup (das Le Lion verwendet Monin, es tut aber natürlich auch ein selbst hergestellter)
Zubereitung: Alle Zutaten kräftig mit Eiswürfeln schütteln und ins mit frischen Eiswürfeln gefüllte Glas abseihen.
Glas: Tumbler
Garnitur: keine
Im MoBi Sour kommt die Scheibel Moor-Birne angenehm frisch daher und der an sich eher herbstliche Brand wird gekonnt in einem Ganzjahrescocktail vermixt. Die Frische der Zitrone stellt im MoBi Sour einen sehr schönen Akzent dar, ohne aber die Tiefe der Moor-Birne vollständig zu überdecken. Es wundert mich nicht, dass der Drink so gut läuft.
Bezugsquellen: Im Fachhandel oder online.
*(Der Umstand, dass mir dieses Produkt zu redaktionellen Zwecken unentgeltlich zur Verfügung gestellt worden ist, bedeutet nicht, dass in irgendeiner Weise Einfluss auf den Artikelinhalt oder meine Bewertung genommen wurde. Vielmehr ist es für mich stets unverrückbare Bedingung, völlig frei und unbeeinflusst rezensieren zu können.)
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