Heute möchte ich einmal ein wenig mit der etablierten Konvention hier im Blog brechen, zu Beginn direkt auf die Rezension einer oder mehrerer Flaschen einzugehen. Stattdessen will ich direkt mit dem Cocktail beginnen und erst im Nachgang auf einiger der verwendeten Spirituosen eingehen. Der Grund ist schlicht der, dass der Drink etwas Besonderes ist und daher einige Worte der Erklärung bedarf bzw. diese verdient. Der Dead Wid Laugh ist nämlich mehr als er zu sein scheint. (zugesandte Testprodukte)*
Um nun im Folgenden überhaupt eine Orientierung darüber zu haben, worum es eigentlich geht und was alles in diesem Drink enthalten ist, sei hier zunächst das Rezept aufgeführt:
Rezept “Dead Wid Laugh”:
3,5 cl Navy Island Jamaica Rum Navy Strength
2,25 cl Rinomato Bitter Scuro
2 cl Belsazar Red Vermouth
1,5 cl Hoos Cold Brew Cacao Coffee Liqueur
2 Dashes Dr. Sours Papa Moi Bitters
8 Tropfen Salzlösung (s.u.)
Salzlösung: 20g Salz mit 80ml Wasser in einem Behälter schütteln, bis die Flüssigkeit klar geworden ist und das Salz sich aufgelöst hat.
Zubereitung: Alle Zutaten im Rührglas auf Eis kalt rühren und schließlich ins vorgekühlte Glas abseihen. Mit dem Öl einer Orangenzeste besprühen.
Glas: Coupette
Garnitur: Orangenzeste
Beim ersten Blick mag man entsprechend an eine Variante des Boulevardiers oder Negronis denken – und tatsächlich liebe ich beide Cocktails über alles und nähme überhaupt keinen Anstoß an solchen Drinks. Doch letztlich sorgt die Kombination aus Jamaikarum, eben diesem Kaffeelikör, dem Rinomato Bitter und den Dr. Sours Bitters in Kombination mit der Salzlösung für ein doch recht weit vom Augenscheinlichen entferntes Geschmacksbild.
Der Name des Drinks ist geht zurück auf eine jamaikanische Redensart, die etwas Lustiges beschreibt bzw. wenn etwas einen unerwartet zum Lachen bringt. Und genau das passierte mir beim ersten Verkosten des Drinks: Obwohl keine Zutat auf Lakritzbasis enthalten ist, erzeugt der Drink ein deutliches und sehr spannendes Lakritzerlebnis am Gaumen. Gerade der Abgang scheint Süßholz- und Salmiaknoten hervorzubringen, die ich selbst so bei der ursprünglichen Kreation nicht erwartet hatte. Zusammen mit einem weinig-fruchtigen und ansprechend bitteren Unterbau habe ich mich sofort in den Drink verliebt. Die erste Geige spielt zwar erkennbar der Navy Island Rum, dennoch steckt hier viel mehr im Glas als das Auge sieht und der Kopf vermeint. Ich vermute, dass der Drink wirklich nur mit diesen Zutaten funktionieren dürfte. Ersetzt man den Rum, wird sicherlich der Kern des Ganzen verzerrt, auch sollte keinesfalls Campari statt des Rinomato Bitter Scuro verwendet werden, denn letzterer ist ohne Frage sehr eigenständig (s.u.). Auch der Kaffeelikör von Heiko Hoos ist sehr einzigartig und trägt mit seinen bitteren Noten kaltgebrühten Kaffees maßgeblich zur Lakritzillusion des Dead Wid Laugh Cocktails bei. Schauen wir uns die Zutaten also noch einmal genauer an:
Der Navy Island Navy Strength Rum ist ein zu einhundert Prozent auf Pot Stills gebrannter Blend aus elf verschiedenen Rums unterschiedlichen Alters. Hinter dem Rum steck die Navy Island Rum Company aus Amsterdam, welche seit einigen Jahren erfolgreich ihren Navy Island Rum Blend verkauft (der auch als XO Reserve erhältlich ist). Leider erfährt man nicht wirklich, welche Destillen der Karibikinsel sich hinter den Rums aus diesem Blend verbergen, aber mit seinen 57% vol. verspricht er jedenfalls, einem soliden Jamaikarumerlebnis den Boden zu bereiten.
Tasting Notes „Navy Island Rum Navy Strength“:
Aroma: Natürlich ist das hier keine überbordende Einzelfassabfüllung der Hampden Distillery und wer sich im höherpreisigen Segment von jamaikanischen Ester-Bomben regelmäßig bewegt, wird hier nicht von eben jenen Esternoten erschlagen, aber sie sind fraglos sofort da und zeigen eindeutig: ich bin ein Jamaikaner. Wem diese Beschreibung jetzt wenig euphorisch vorkommt, dem kann ich dennoch versichern, dass mir das Aroma des Navy Island Rum Navy Strength wirklich sehr gut gefällt. Ich erwähne das lediglich, weil „Ester-Bombe“ oder verwandte Begriffe inzwischen eine kleine Bedeutungsverschiebung erfahren haben und man damit schnell manche Rumfreunde enttäuschen kann. Oder – um es in der Whiskysprache auszudrücken: wer täglich Octomore trinkt, der wird einen Highland Park vielleicht nicht als „rauchig“ beschreiben wollen.
Nun denn, sie sind da, die Klebstoffnoten und vergorenen Früchte, für die man Jamaikarums so schätzt, Bananen, etwas Ananas, Pflaumen sowie Honig und Vanille. Mit der Zeit kommt etwas Karamell in den Vordergrund sowie subtile Assoziationen von Zimt. Ein durchaus komplexer und ansprechender Jamaikaner.
Geschmack: Am Gaumen zeigt sich zunächst weniger Frucht, dafür aber viel mehr Fass. Würzige Noten mit leichten Bitteranklängen dominieren zunächst, holen dann aber sofort die Vanille und ein wenig Schokolade mit ins Boot. Dann sind auch Fruchtnoten da, hier sind es eher Pflaumen und Trockenfrüchte, die mir auffallen. Ein sehr schöner Rum, der erhöhte Alkoholgehalt transportiert intensive Geschmacksnuancen und ist dennoch sehr angenehm trinkbar.
Abgang: lang, kräftig, würzig
Der Rinomato Bitter Scuro ist ein italienischer Bitter aus der Region Asti im Piemont. Giancarlo Mancino, welcher selbst Bartender ist und sich auch als Schöpfer des Mancino-Wermuts einen Namen gemacht hat (ich liebe vor allem den Mancino Chinato), hat diesen Bitter als Hommage an die Tradition piemontesischer Aperitifs auf Basis von Bitterlikör kreiert. Mit 23% vol. und einem mutmaßlich fruchtig-bitteren Geschmacksprofil (mehr dazu unten) verspricht er, eine vollumfängliche Alternative zu Campari zu sein und kann sicherlich innovativ in typischen Campari-Drinks als gewolltes Substitut eingesetzt werden.
Tasting Notes „Rinomato Bitter Scuro“:
Aroma: Ein sehr interessantes und durchaus von anderen, vergleichbaren Bitters klar abweichendes Aroma. Ich finde zunächst eine sehr weinartige Grundcharakteristik mit Noten von roten Beeren (Himbeeren, Brombeeren), Hagebutten, Hibiskus und etwas Nelke. Entfernt erinnert ein Aspekt des Rinomato Bitter Scuro an einen Glühwein, aber nicht zur Gänze. Ebenfalls mit von der Partie sind schöne Töne von Orangenschalen und etwas Mandarine.
Geschmack: Am Gaumen finden sich ebenfalls sehr viele Noten aus der Nase, da sind Beeren, Orangenschalen, Nelken und auf jeden Fall auch der Hibiskus. Eine gewisse Süße zeigt sich, ringt aber direkt mit den schönen und tiefen Bitternoten mit Assoziationen von Enzianwurzeln und Chinarinde.
Abgang: sehr schön trocken, mit dem Nachklang gewürzten Weins
Und da wäre eben noch Heiko Hoos‘ Cold Brew Cacao Coffee Liqueur bzw. einfach nur Hoos Coffee Liqueur. Erst kürzlich habe ich ja hier über den Hoos Sal Miakki berichtet und in diesem Zuge noch einmal Hoos‘ bemerkenswerte Ein-Mann-Umtriebigkeit hervorgehoben. Mit seinem Coffee Liqueur springt er nun auf den derzeitig mit selbstbewusster Verve durchs Land rollenden Zug neuer Kaffeeliköre auf und – so viel sei schon einmal verraten – macht das abermals wirklich richtig gut! 25% vol. können sich sehen lassen und untermalen den Likör mit einer vielversprechenden Alkoholstärke.
Tasting Notes „Hoos Coffee Liqueur“:
Aroma: Die Nase erinnert tatsächlich bereits sehr an einen Moccachino, was angesichts der Kaffee-Schokoladen-Programmatik wenig verwundert. Dennoch merkt man recht schnell, dass hier ein etwas fruchtiger daherkommender Cold Brew als Basis genutzt wurde. Die Röstaromen des Kaffee werden von einer gewissen Fruchtigkeit untermalt, die schön von den Bitterschokoladentönen aufgegriffen werden. Eine Ahnung von Süße ist auszumachen.
Geschmack: Und am Gaumen ist diese Süße dann auch da, wobei sie nicht zu stark im Vordergrund steht. Wir es hier mit einem Likör zu tun, der die ansprechenden Bittertöne eines Röstkaffees mit dunkler Schokolade verbindet – und genau das macht er ausgesprochen gut. Einmal mehr ist Moccachino das Wort, was mir durch den Sinn geht, Heiko Hoos hätte seinen Likör auch problemlos „Hoos Moccachino Liqueur“ nennen können.
Abgang: mittellang mit Süße, Röstaromen und leichten Anklängen roter Beeren
Bezugsquellen: Im Fachhandel oder online
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