Heute habe ich mir tatsächlich nicht ganz wenig vorgenommen, denn auch wenn ich im Grunde wie üblich verfahre und eine Spirituose nebst Cocktail rezensieren werde, so läuft es doch dieses Mal ein wenig anders. Denn beginnen werde ich zunächst mit dem Cocktail, da dieser gewissermaßen allein schon mit seiner historischen Größe dies einfordert. Erst dann werde ich mich der Spirituose widmen, die nichtsdestotrotz für sich spricht und eine wirklich gelungene „Ergänzung“ des Drinks darstellt (so viel sei schon einmal vorweggenommen). (zugesandtes Testprodukt)*
Der Drink, über den ich heute einige Worte zum Besten geben möchte, ist der Sidecar. Der Sidecar (manchmal auch Side Car geschrieben) ist vielleicht so etwas wie der Cognac-Cocktail schlechthin – oder zumindest wird er als solcher wahrgenommen. Dabei ist das nicht unbedingt immer ganz richtig, völlig falsch hingegen auch nicht. Doch der Reihe nach.
Wann genau der Sidecar erfunden wurde, ist nicht mit letzter Sicherheit geklärt. Er taucht in gedruckter Form jedenfalls ab den frühen 1920er Jahren in diversen Barbüchern auf und konnte sich seitdem als Klassiker etablieren. Die Urheberschaft des Drinks ist ebenfalls nicht wirklich einwandfrei überliefert, auch wenn sich hier eine recht lebhafte Debatte bereits während der 1920er entwickelt hat. So werden gemeinhin der Londoner Bartender Malachy „Pat“ McGarry, Harry McElhone oder auch Frank Meier, der Senior-Barkeeper des Ritz in Paris als Erfinder ins Feld geführt, wobei es jeweils Argumente gibt, die gegen die einzelnen Protagonisten sprechen. Die Kollegen von Bar-Vademecum haben sich der Entstehungsgeschichte dieses Drinks in gewohnt ausführlich recherchierter Version angenommen, weshalb ich hier nur anerkennend auf ihren Artikel zum Sidecar verweisen kann.
Erwähnenswert sind an dieser Stelle sicherlich noch zwei verbreitete Anekdoten zum Namen des Cocktails. Gern wird berichtet, der Sidecar sei von einem durch einen Unfall an seinem Seitenwagen verwirrten französischen Barkeeper erfunden worden, der versehentlich die Zutaten des Drinks zusammenmischte. Eine andere berichtet von einem französischen Hauptmann, der während des Ersten Weltkrieges in Paris im Seitenwagen eines Motorrads zu einem Bistro gefahren worden sei, wo der Drink ausgeschenkt wurde. (Beide Geschichten sind ebenfalls in ausführlicherer Form im verlinkten Bar-Vademecum-Artikel nachzulesen.)
Wie dem auch sei: der Drink scheint jedenfalls in Anlehnung an den Bei- bzw. Seitenwagen des Motorrads entstanden zu sein, was ihn wiederum zeitlich auch irgendwo eingrenzt. Mit der steigenden Popularität des Cocktails haben sich natürlich auch die Rezepturen im Laufe des zurückliegenden Jahrhunderts stets gewandelt. Die Proportionen sind dabei natürlich auch heute nicht wirklich fest vorgegeben (außer man hält sich sklavisch an die Vorgaben der International Bartenders Association IBA). Eine Besonderheit stellt dabei die eigentliche Basiszutat dar, nämlich der Cognac. Wie vielen Cocktailenthusiasten bekannt sein dürfte, steht der Begriff Cognac in alten (v.a. amerikanischen) Barbüchern nicht unbedingt immer für das, was wir heute unter Cognac verstehen. Und auch wenn es naheliegt, davon auszugehen, dass der ursprüngliche Sidecar tatsächlich mit echtem Cognac zubereitet worden ist, so fand und findet vielmehr allgemein Weinbrand einen Platz im Sidecar. Anstelle des Begriffs Cognac findet sich auch häufig das Wort „Brandy“, was eigentlich wiederum nur eine amerikanische Bezeichnung für Weinbrand ist und schlicht bereits dem Umstand Rechnung trägt, dass eben kein authentischer Cognac als Zutat verwendet wurde (so verwundert es auch wenig, wenn dank problematischer Übersetzungen auf einmal auch spanischer Brandy de Jerez als Sidecarzutat auf Barkarten auftaucht). Wie dem auch sei, im Sinne einer besseren Unterscheidbarkeit spricht man heute auch von einem french school Sidecar.
Apropos Zutaten: Der Sidecar besteht aus Cognac, Cointreau und Zitronensaft. Das war es im Grunde also schon. Man bemerkt: Eine ausdrucksstarke Zuckerquelle ist nicht Bestandteil des Drinks (auch wenn der Cointreau natürlich Zucker enthält), was ihn letztlich eher frisch und säuerlich ausfallen lässt – leider aber dadurch häufig auch unausgewogen. Tatsächlich soll Cointreau früher einen höheren Zuckergehalt aufgewiesen haben, was mir zwar vor meiner Lektüre des bereits verlinkten Artikels der Bar-Vademecum-Kollegen unbekannt war, mich aber umso mehr darin bestärkt, in meiner Rezeptur auch weiterhin 3 Barlöffel Zuckersirup auszuweisen (dies ist das Ergebnis eigener Erfahrungen).
So, nun aber zum Cognac, denn auch dieser ist heute ein recht besonderer. Er stammt einmal mehr aus dem französischen Cognac-Haus Ferrand. Bereits in der Vergangenheit habe ich über Ferrand-Cognacs geschrieben (hier, hier und hier) und war im Grunde durchgehend von der Qualität dieser Destillate überzeugt. Und nun steht der Ferrand 10 Générations im Fokus meiner Aufmerksamkeit. Bei diesem Cognac handelt es sich um eine Sonderabfüllung, die die lange Familiengeschichte des Cognachauses Ferrand reflektieren soll und dem Familienmitglied Elie Ferrand gewidmet ist. Dabei handelt es sich um ein Destillat aus der 1er Cru de Cognac (mehr dazu in meinem Artikel über den Pierre Ferrand Cognac 1840 Original Formula), welches ausschließlich auf Ugni Blanc-Trauben basiert. Mit ungewöhnlichen, aber spannenden 46% vol. habe ich hier zudem einen recht kraftvollen Cognac im Glas. Eine genaue Lagerungsdauer wird leider nicht verraten.
Tasting Notes:
Aroma: Ein sehr schönes Aroma begegnet mir hier. Aprikosenkerne, Trauben, Vanille und gelbe Pflaumen, dazu feine Zimtnoten und Mandelgebäck (Amarettini), dahinter kommen dezente Eichennoten auf.
Geschmack: dieser Cognac ist sehr schön ausbalanciert, von scharfem Alkohol nicht die geringste Spur! Assoziationen von Nusskuchen (Haselnüsse) und erneut Amarettinis wissen mit einer feinen Süße zu gefallen, zudem wieder Aprikosen und Vanille. Rosinenanklänge vor einem nicht zu dominanten Eichenhintergrund samt Zimt und Muskatnuss leiten den Abgang ein. Insbesondere die Nuss- und Mandelgebäcktöne sind wirklich fantastisch! Ein toller Tropfen!
Abgang: mittellang mit Gewürzen, Eiche und wieder etwas Mandeln
Rezept Sidecar:
5,5 cl Ferrand 10 Générations
2 cl Zitronensaft
2 cl Cointreau
3 Barlöffel Zuckersirup
Zubereitung: Alle Zutaten kräftig auf Eis schütteln und ins vorgekühlte Glas abseihen.
Glas: Coupette
Garnitur: keine (alternativ Zitronenzeste)
Bezugsquellen: Im Fachhandel oder online
*Der Umstand, dass mir dieses Produkt zu redaktionellen Zwecken unentgeltlich zur Verfügung gestellt worden ist, bedeutet nicht, dass in irgendeiner Weise Einfluss auf den Artikelinhalt oder meine Bewertung genommen wurde. Vielmehr ist es für mich stets unverrückbare Bedingung, völlig frei und unbeeinflusst rezensieren zu können.
Es ist höchste Zeit für einen Sidecard – der Sommer Vintage-Cocktail ??
Das passende Repezt findet ihr auch hier: https://www.vintagetimes.ch/sidecar-stil-im-cocktailglas/ , Prost ??
Liebe Grüsse
Emma
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