Wenn man regelmäßig Produktrezensionen verfasst oder beabsichtigt, dies zu tun, steht man vor der schwierigen Entscheidung, welchen Anspruch man mit den eigenen Ausführungen verbinden will. Zwischen tief subjektiver Einfärbung und Bemühen um relative Objektivität sind alle möglichen Graustufen denkbar und alle davon bieten auch sicherlich immer irgendwo einen Mehrwert. Ich bewege mich hier meist irgendwo im Mittelfeld, denn natürlich kann ich als Einzelperson zum einen nur das eigene Empfinden in die Waagschale werfen, zum anderen möchte ich aber keine untrennbar mit meiner Person verbundenen Artikel verfassen, die mehr dem Unterhaltungswert als der Orientierung dienen. (zugesandtes Testprodukt)*
Redaktionelles Arbeiten ist insofern so vielfältig wie die mediale Landschaft selbst. Als Ein-Personen-Blog versuche ich aber bewusst, in meinen Beschreibungen einen nachvollziehbaren Weg zu beschreiten, den ich eben auch für tatsächlich nachvollziehbar halte. Insbesondere bei meinen Tasting Notes verkneife ich mir deshalb manchmal allzu abgefahrene Assoziationen (allerdings auch nicht durchgehend). Heute habe ich allerdings eine Flasche vor mir, bei der mir eine kritische Distanz schwerfällt. Der Grund ist einfach: Bisher war ich wirklich durchweg begeistert von dem, was aus dem Hause Eimverk stammt. Und – genau – von dort kommt eben auch die heutige Abfüllung.
Das isländische Garðabær habe ich in meinem Leben selbst zwar (noch) nicht besucht, wohl aber, wie wohl jeder Island-Tourist, die Hauptstadt Reykjavik und auch das nahegelegene Hafnarfjörður, welches ebenfalls in der Region Höfuðborgarsvæðið liegen. Und natürlich – auch hier weiche ich wohl kaum vom Gros der Islandtouristen ab – haben mich Land und Leute einfach umgehauen. Die Isländer sind ein äußerst sympathisches, teils skurriles Völkchen in einer der fraglos schönsten Naturlandschaften der Welt. Von dort stammt jedenfalls der Flóki Icelandic Single Malt Whisky. Bevor dieser so heißen durfte, war er bereits als Young Malt zu erstehen (über den ich auch vor etwas längerer Zeit einen Artikel verfasst habe).
Nun habe ich die Gelegenheit, den offiziell als Whisky firmierenden Flóki in Form einer ganz besonderen Abfüllung zu probieren, nämlich den Flóki Double Wood Reserve Stout Cask Finish. Dieser brandneu aus dem Jahr 2019 stammende Flóki durfte zunächst in ehemals mit Flóki Young Malt befüllten Fässern reifen und enthielt dann ein Finish in ehemaligen Imperial Stoutfässern der isländischen Bryggjan brugghús-Brauerei. Zwar habe ich bisher kein (Imperial) Stout aus dieser Brauerei probieren können, habe aber in der Vergangenheit auch über einige isländische Biere (hier, hier, hier und hier) aus der aufstrebenden isländischen Craft Beer-Bewegung geschrieben. Der Flóki Double Wood Reserve Stout Cask Finish wird jedenfalls mit 45% vol. abgefüllt und mit einem Alter von 3 Jahren ausgewiesen (ob hier auch schon ein älterer Anteil enthalten ist, vermag ich nicht zu sagen, vermute dies aber – auch wenn dieser aufgrund des Alters der Destille nicht deutlich älter sein kann).
Tasting Notes:
Aroma: Wow, ich liebe einfach diesen Eimverk-Charakter. Obwohl wir es hier mit einer ganz anderen Spirituose zu tun haben, ist es die gleiche Note von geröstetem, süßen Gerstenschrot, die auch im VOR Icelandic Gin anzutreffen ist (aber natürlich auch im Young Malt). Der Brennereicharakter gefällt mir einfach außerordentlich. Ich muss an gebuttertes Honigbrot denken, an Noten von älterem Cognac und jede Menge Malz. Die Imperial Stout-Fässer bringen eine kraftvolle, schwere Süße in das Aroma mit ein, die die Brotnuancen verdichten (fast in Richtung eines Pumpernickels) und Assoziationen von dunkler Schokolade und etwas Kaffee wecken. Dahinter kommen auch schwach helle Fruchtnoten zum Vorschein, zudem etwas Moos und Wiesenkräuter.
Geschmack: Am Gaumen kann der Flóki Double Wood Reserve Stout Cask Finish in puncto Intensität vielleicht noch nicht ganz mit einem zwölfjährigen Scotch Single Malt mithalten, kommt mit seinen drei Jahren aber doch erstaunlich nah heran. Auch hier ist der Brennereicharakter unverkennbar: dunkles Brot, dunkler Waldhonig, Malz, etwas Eiche und Röstnoten. Dazu etwas Vollmilchschokolade, Karamell, Kräuter und mit der Zeit ein Hauch von Citrus. Eine ausgewogene und vollmundige Süße rundet das Geschmackserlebnis ab. Scharfer Alkohol ist nicht auszumachen, vielmehr transportieren die 45% vol. den Geschmack sehr schön. Tja, was soll ich sagen? Ich finde diesen Tropfen ganz ausgezeichnet, wenn man seine Altersklasse bedenkt!
Abgang: relativ trocken mit Eichenholz, Gewürzen, Bitterschokolade und Honig
Der Flóki Double Wood Reserve Stout Cask Finish ist natürlich eine Spirituose, die primär als Sippingqualität konzipiert und gedacht ist. Doch das bedeutet natürlich – wie ich niemals müde werde zu betonen – nicht, dass man sie nicht auch in einem Cocktail mit Fug und Recht verwenden kann. Natürlich sollte es ein sehr schlichter Drink sein, etwa eine Art Manhattan oder eine Variante des Old Fashioned, die dem Flóki noch genug Raum lässt. Und so eine Old Fashioned-Variante ist es dann auch letztlich geworden. Bei Old Fashioned-Style Cocktails sind die Unterschiede zwischen einzelnen Rezepturen oft marginal. Und während manche deshalb relativ pauschal einfach von „‘ner Art Old Fashioned“ sprechen, geben andere solchen Drinks auch eigene Namen, um sie etwas mehr abzuheben. Ich will zwar keine übermäßige Effekthascherei betreiben, gehöre aber hier auch zur letztgenannten Gruppe. Zum einen, weil ich Old Fashioned-Style Drinks liebe, zum anderen, weil ich so einfach besser den Überblick über die Feinheiten behalte.
Der Drink heute hört auf den Namen Gamall Maður, was soviel wie „alter Herr“ auf Isländisch bedeutet und ein passender Name für einen isländisch inspirierten Old Fashioned ist, wie ich finde. Für den Gamall Maður wollte ich den Stout-Charakter des Whiskys noch etwas unterstreichen und habe dafür ein Imperial Stout-Sirup hergestellt (ähnlich wie ich es auch schon beim Sweet Old Bakerman oder beim The Auld Triangle getan habe). Hinzu kommt eine Nuance dunkler Waldhonig und die hier wirklich toll harmonierenden The Bitter Truth Drops & Dashes Nut Bitters. Schlicht (wie ein Old Fashioned nun einmal ist), geschmacklich aber ein sehr schönes Erlebnis.
Rezept „Gamall Maður“:
6,5 cl Flóki Double Wood Reserve Stout Cask Finish
2 Barlöffel Imperial Stout-Sirup (s.u.)
1 Barlöffel Waldhonigsirup (1:1)
3 Dashes The Bitter Truth Drops & Dashes Nut Bitters
Imperial Stout-Sirup: Imperial Stout im Verhältnis 3:1 mit Zucker in einer Pfanne vermischen, aufkochen und dann köchelnd ein wenig reduzieren lassen, bis das Ganze eine sirupartige Konsistenz erreicht. Abkühlen lassen und weiter verwenden oder luftdicht verschließen und im Kühlschrank lagern (hält ca. 3-4 Tage).
Zubereitung: Alle Zutaten in ein mit frischem Eis gefülltes Glas geben, kurz verrühren, fertig.
Glas: Tumbler
Garnitur: Hölzerner Honiglöffel / Honigheber
Bezugsquellen: Im Fachhandel oder online
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