Es ist inzwischen mehr als fünf Jahre her, dass ich hier im Blog erstmalig über eine Spirituosengattung geschrieben habe, die zum damaligen Zeitpunkt für mich gänzlich neu war, die aber auch sonst kaum jemand kannte. Seitdem ist viel Zeit vergangen – und auch wenn Clairin auch heute noch nicht in aller Munde ist, so muss man doch schon konstatieren, dass sich die haitianische Zuckerrohrsaftspirituose einen wirklich ausgezeichneten Ruf verschaffen konnte. (zugesandtes Testprodukt)*
Und das liegt nicht nur an der authentischen, urwüchsigen und auch schlichten Zubereitungsweise, die ohne irgendwelche gepanschten Zusatzstoffe auskommt, wie man sie vom oft schillernden und teils chaotischen Rumbereich kennt. Vielmehr ist es auch darauf zurückzuführen, dass Clairin tatsächlich innerhalb der eigenen Gattung eine spannende Vielfalt bietet, die man so auf den ersten Blick gar nicht unbedingt zu erwarten vermag. Der wie ein Rhum Agricole aus Zuckerrohrsaft hergestellte Clairin wird in Haiti auf oftmals sehr einfach Brennanlagen hergestellt – zudem verwendet man keine Zuchthefen, sondern setzt auf Spontangärung aus den Umgebungshefen in der Luft.
Sowohl der Clairin Sajous, aber auch der auf Clairins aus vier verschiedenen Kommunen basierende Clairin Communal konnten mich bereits vollauf von sich überzeugen. Und auch wenn ich seitdem auch den Clairin Le Rocher, den Clairin Vaval und den Clairin Casimir probieren konnte, möchte ich heute vor allem den neuesten Vertreter aus der vom deutschen Vertrieb Kirsch Whisky in Verkehr gebrachten Clairin-Reihe verkosten: den Clairin Sonson.
Der Clairin Sonson wird von Stephan Kalil Saoud in der Kleinstadt Cabaret, nördlich der haitianischen Hauptstadt Port Au Prince hergestellt, wo er eine besondere Sorte Zuckerrohr namens Madame Meuze anbaut, welche nicht hybridisiert ist. Das Zuckerrohr wird zusammen mit Banenen und anderem Obst kultiviert. Nach der Ernte wird der Zuckerrohrsaft herausgepresst und zur Spontangärung in Bottiche gefüllt. Wenn die Gärung erfolgt ist, brennt Stephan Kalil Saoud den Clairin Sonson auf direktbefeuerten Alambics. Schließlich wird er mit ansprechenden 53,2% vol. in Flaschen gefüllt.
Tasting Notes:
Aroma: „Boah!“ – wie man im Ruhrgebiet zu sagen pflegt. Was für eine Aromabombe! Ich finde jede Menge vergorenes Obst und Gemüse, Benzin und Mineralöl, Ananasrinden, Moos und feuchte Erde, dahinter etwas hellen Honig und kandierte Zitronenschale. Total geil!
Geschmack: Am Gaumen fällt der Clairin Sonson überraschend anders aus, aber macht dem Aroma dann doch auch jede Ehre: grüne Bananen, wieder Ananas, frisch aufgeschnittene Champignons, Pfeffer, Rauch und Benzin, erdige Noten von Kartoffelschalen und etwas Zitronenschale, was für eine Granate!
Abgang: lang, mit Noten von bitteren Traubenkernen und etwas grünem Holz.
Tja, was macht man mit so einem wirklich starken Tropfen? Natürlich liegt es nahe, Clairin ähnlich einem ungereiften Rum einzusetzen. Und einer der wohl klassischsten Drinks mit dem weißen Zuckerrohrbrand ist der Daiquiri. Von diesem kubanischen Klassiker habe ich mich heute inspirieren lassen, auch wenn dies nicht auf Anhieb so gelang, wie ich es mir vorgestellt hatte. Mein erster Versuch arbeitete mit 6 cl Clairin Sonson, das Ergebnis war ein Drink, der zwar durchaus mundete, letztlich aber alle anderen Zutaten total platt gemacht hat. Dann habe ich mich dazu durchgerungen, dem Clairin Sonson im Split-Base-Prinzip einen ungelagerten Kubaner zur Seite zu stellen und das Ergebnis hat mir sofort besser gefallen. Ein ganz gewöhnlicher Daiquiri ist es allerdings nicht, denn ich habe den Zuckersirup durch einen selbst hergestellten Sirup aus Rhabarber, Salbei und Szechuan-Pfeffer ersetzt. Dieser Sirup ist von sich aus sehr, sehr kräftig und ausdrucksstark, was es aber auch wirklich braucht, um gegen den Clairin Sonson anzukommen, gewissermaßen der Herkules unter den Sirups. Deshalb habe ich den Drink auch kurzerhand „Hercule“ getauft – mit der eindringlichen Bitte, das Wort französisch auszusprechen (Agatha Christies Romanheld Hercule Poirot leistet hier Orientierungshelfe)!
Rezept „Hercule“:
3 cl Clairin Sonson
3 cl weißer kubanischer Rum
2 cl Würziger Rhabarber-Salbei-Sirup (s.u.)
2 cl Limettensaft
Würziger Rhabarber-Salbei-Sirup: 200 ml Wasser, 50 ml trockenen Rotwein, eine in kleine Stücke geschnittene Rhabarberstange, eine Hand voll Salbeiblätter und zwei gehäufte Teelöffel Szechuan-Pfeffer in einer Pfanne zusammen mit 350g Zucker und einer Prise Salz erhitzen und für ca. 25 Minuten köcheln lassen. Schließlich doppelt durch ein Feinsieb streichen und in einem luftdichten Behälter lagern. Sollte sich problemlos einige Wochen halten.
Zubereitung: Alle Zutaten kräftig auf Eis schütteln und ins vorgekühlte Glas abseihen.
Glas: Coupette
Garnitur: etwas Rhabarber
Bezugsquellen: Im Fachhandel oder online.
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