So, es ist einmal wieder Zeit für Mezcal! Und das freut mich im Falle der heutigen Flasche ganz besonders, denn wir haben es hier mit einer besonderen Flasche zu tun, über die mir bislang schon viel Gutes zu Ohren gekommen ist. Inwiefern das auch tatsächlich der Fall ist und ob ich mich den Vorschusslorbeeren nach der Verkostung anschließen kann, bleibt natürlich noch abzuwarten. Aber auf dem Papier stimmt jedenfalls schon einmal so einiges. (zugesandtes Testprodukt)*
Der Mezcal Local ist ein Mezcal aus dem mexikanischen Bundesstaat Oaxaca, soweit erstmal nichts Ungewöhnliches. Genauer gesagt stammt er aus San Pablo Villa de Mitla Oaxaca, wie man auf der Rückseite des informativ gestalteten Etiketts erfährt und wird dort zu 100% aus der Agavenart Espadin hergestellt (die hier auch als „Agave angustifolia“ benannt wird). Die Agaven für diesen Mezcal wachsen für ganze 10 Jahre, bevor sie schließlich geerntet und weiter verarbeitet werden – so weit, so gut. Schließlich werden Sie in Erdöfen, welche man mit Kiefern- und Pinienholz befeuert, gekocht und anschließend auf traditionelle Art mit einem steinernen, von einem Esel betriebenen Mahlwerk (tahona) gemahlen. Der Meister-Mezcalero Leonel Hernández brennt schließlich die Maische nach einer zehntägigen Fermentation in offenen Holzfässern zweifach auf einer kupfernen Pot Still.
Bis hierhin klingt das fraglos sehr gut, aber auch nicht ganz so ungewöhnlich. Nun kommt aber der Umstand hinzu, dass wir es hier mit einem Pechuga-Mezcal zu tun haben. Tatsächlich bedeutet Pechuga eigentlich so viel wie Putenbrust und dürfte auch als Begriff so manch einem von der Speisekarte eines mexikanischen Restaurants bekannt sein. Für Pechuga-Mezcals werden tatsächlich Putenbrüste oder andere Fleischstücke mit in die Destille gegeben (meist eingehängt), um einen besonderen Geschmack zu erzielen. Wem das jetzt zu schaurig bzw. schräg klingt, den kann ich allerdings doch beruhigen: für den Mezcal Local musste keine Pute ihr Leben lassen und auch sonst wurde hier kein Fleisch verwendet. Der Begriff Pechuga bezeichnet im Mezcalkontext eben auch die Piñas, die Agavenherzen. Und ein solches Agavenherz wurde hier mit in die Destille gegeben. Doch damit nicht genug, auch ein Obstkorb mit Orangen, Bananen, Äpfeln und Pfirsichen wurde in die Destille gehängt, so dass der aufsteigende Dampf durch das Obst hindurchzieht (eine ähnliche Verfahrensweise kennen viele vielleicht aus der Herstellung von Gin).
Schließlich wird mit 42% vol. in eine sehr schöne, schwere und bauchige Flasche abgefüllt und der Mezcal Local geht in den Verkauf. Etwa 60 Euro kostet dieser besondere Mezcal, was angesichts der handwerklichen Herstellung und der genannten Details ein nachvollziehbarer Preis ist.
Aber nun zur alles entscheidenden Frage: Wie schmeckt er denn nun? Und lohnt sich die Anschaffung?
Tasting Notes:
Aroma: Wow, das ist tatsächlich etwas Besonderes hier in meinem Glas! Ja, es handelt sich erkennbar um einen Mezcal mit seinen typischen Noten von Rauch, jener erdig-mineralischen Note, die ich in Agavenbränden stets auffinde und die ich sehr schätze. Aber dann kommen tatsächlich Fruchtnoten hinzu. Helmut Barro beschreibt Sie in seinem Blog schlimmerdurst.net als an einen Obstler erinnernd, was ich tatsächlich nachvollziehen kann. Eine wirkliche Zuordnung der feinen Fruchtaromen will mir aber kaum gelingen, ich kann die oben bei der Beschreibung des Herstellungsprozesses genannten Früchte nicht isolieren, empfinde sie aber als exotisch und sehr schön eingebunden. Raue Noten von Tabak und Leder kommen mit der Zeit hindurch und bringen würzige Impressionen mit sich.
Geschmack: Auch am Gaumen setzt sich die sehr interessante Charakteristik fort, die im Aroma bereits angeklungen ist. Hier habe ich neben keinesfalls zu dominanten, würzig-rauchigen Noten eine aromatische Agave mit vegetalen Noten, Mineralsalz und weißem Pfeffer. Dazu grünlich-erdige Töne von unreifen Bananen, Orangen (ja, im Geschmack kann ich sie isolieren), wieder Leder und Tabak sowie sublimen Kräuternoten. Das ist ein wirklich schöner, komplexer und ausdrucksstarker Mezcal, der sich dieses Prädikat nicht durch brachiale Wucht verdient, sondern durch eine ausgesprochen gelungene Balance vielschichtiger und teils unkonventioneller Facetten.
Abgang: langanhaltende Agaventöne mit Mineralsalz, einem Hauch weißem Pfeffer und etwas Minze.
Der Rauch, der leicht fruchtige Charakter, die ausdrucksstarke Gesamtcharakteristik und dazu eine gewisse Müdigkeit meinerseits waren die hauptsächlichen Gründe für den Cocktail, den ich mit diesem Mezcal gemixt habe. Ich trinke sehr selten Drinks auf der Basis von Wodka, doch ein Espresso Martini darf es dann doch ab und an mal sein. Inspiriert vom ursprünglichen, aztekischen Kakao, der Xocólatl (was in der aztekischen Nahuatl-Sprache soviel wie „bitteres Wasser“ bedeutet und aus Kakao, Zimt und Chili und manchmal weiteren Gewürzen und Kräutern hergestellt wird), wollte ich hier aber eine Spielart von Dick Bradsells Klassiker kreieren, die mich aromatisch umhaut. Hier ging es nicht einfach darum, ein britisches Model am Tresen aufzuwecken, hier ging es um mehr: „Wake me up, and then sacrifice me to Quetzalcoatl!“
Rezept „Wake me up, and then sacrifice me to Quetzalcoatl!”:
4,5 cl Mezcal Local
4 cl hochwertiger Espresso
1 cl Zimtsirup
0,5 cl Agavendicksaft
2 Barlöffel Dunkle Crème de Cacao
3 Dashes Dr. Sours #9 3 Chiles Bitters
Zubereitung: Alle Zutaten kräftig auf Eis schütteln und ins vorgekühlte Glas abseihen.
Glas: Martini
Garnitur: geriebene Muskatnuss und drei Kaffeebohnen
Bezugsquellen: Im Fachhandel oder online
*Der Umstand, dass mir dieses Produkt zu redaktionellen Zwecken unentgeltlich zur Verfügung gestellt worden ist, bedeutet nicht, dass in irgendeiner Weise Einfluss auf den Artikelinhalt oder meine Bewertung genommen wurde. Vielmehr ist es für mich stets unverrückbare Bedingung, völlig frei und unbeeinflusst rezensieren zu können.
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