Eines der sicherlich meistdiskutierten Themen in der Spirituosenwelt ist das Marketing der verschiedenen Marken, Abfüller und Vertriebe. Insbesondere wenn es um die Ausgestaltung von Flaschenetiketten oder Verpackungen geht, gehen die Meinungen hier weit auseinander. Die Zahl derer, die Wert auf möglichst transparente Informationen legen und fast schon naturwissenschaftlich-nüchtern anmutende Etiketten bevorzugen, scheint beständig zu wachsen. (zugesandte Testprodukte)*
Demgegenüber stehen manchmal weit ausholende Geschichten über alte Rezepturen aus Ur-Großvaters Keller, den Rumgelagen berühmter Freibeuter, super-duper-Premium-Deluxe Qualitäten und Familientraditionen von anno dazumal. Diese wiederum geraten mehr und mehr in einen gewissen Verruf, der sicherlich proportional zu steigendem Verbraucherbewusstsein und der oben erwähnten Präferenz sachlicher Produktinformationen steht. Auch ich möchte mich klar auf die Seite der Produkttransparenz stellen, will aber auch zugeben, dass ich eine gute Geschichte durchaus mag und ein gewisses Flair auch nicht vermissen möchte. Die extreme Vision einer Spirituosenwelt mit einheitlichen Flaschendesigns voll nüchterner Zahlen würde mich dann doch abschrecken. Aber warum erzähle ich das hier?
Zugegeben, ich habe etwas unnötig ausgeholt, denn eigentlich wollte ich nur auf einen Tequila zu sprechen kommen. Die in den letzten Jahren rasant angestiegene Nachfrage nach 100%-Agave Tequilas hat nämlich in diesem Zweig der Spirituosenwelt sehr sichtbare Folgen mit sich gebracht und eine Industrialisierung vorangetrieben, die viele Tequilas weit von ihren Ursprüngen entfernt hat. Hinter illustren Marketinggeschichten verbirgt sich dann oftmals ein wenig romantisches Herstellungsverfahren, das nichtsdestotrotz einen soliden Tequila hervorbringt. Aber viele Genießer sehen die ursprünglichen Herstellungsverfahren beim Tequila nicht als bloße Flairfrage, sondern auch als Qualitätskriterium. Jenseits von der „100% de Agave“-Deklaration auf den Etiketten interessiert es z.B. eben auch, ob die Agavenherzen nach der Röstung mit einem traditionellen Tahona-Steinmahlrad gemahlen wurden, oder eben nicht. Zahlen und Transparenz werden hier um Tradition und Handwerk ergänzt. Und hier kommt der Tapatio Tequila ins Spiel, um den es heute gehen soll.
Denn der aus der La Alteña Destille in Jalisco stammende Tapatio ist ein Tequila mit einer langen Familientradition, der sich explizit mit seiner traditionell-handwerklichen Herstellungsweise rühmt. Die die Destille betreibende Familie Camarena stellt nach eigenen Angaben bereits seit Beginn des 19. Jahrhunderts Tequila her, musste aber in Folge einer Zerstörung ihrer Produktionsstätte im mexikanischen Bürgerkrieg von Neuem beginnen. Die heutige Destille besteht daher „erst“ seit dem Jahr 1937. Und natürlich verwendet man hier noch die traditionelle Tahona. Neben Tapatio werden in der La Alteña Destille auch noch die Marken Ocho und El Tesoro hergestellt, um die es heute aber nicht geht.
Gebrannt wird der Tapatio Tequila doppelt, bevor er dann (ggf. im Anschluss an eine Reifung) in die Flasche abgefüllt wird. Ich möchte heute hier zwei Qualitäten untersuchen. Zum einen den Tapatio 110 mit 55% vol. (110 amerikanischen Proof) und den Tapatio Reposado, der für vier Monate in ehemaligen Bourbon-Fässern reifen durfte (das sind zwei Monate mehr als nötig für die Reposado-Deklaration). Der Reposado wird mit 38% vol. abgefüllt.
Tasting Notes „Tapatio 110“:
Aroma: Typische, erdig-würzige Agavennoten sind das erste, das ich vernehme. Dazu kommen vegetale Noten von mehligen Kartoffeln, grünen Bohnen, weißer Pfeffer, eine gewisse Süße (weißer Kandiszucker) und Kräuternoten (etwas Thymian und Sauerampfer). Mit der Zeit kristallisiert sich zudem etwas Zitronenschale heraus. Ich habe schon weitaus eindimensionalere Tequilas im Glas gehabt, der hier ist wirklich spannend!
Geschmack: Wow, das gefällt mir wirklich richtig gut! Von Anfang an ist eine gewisse Süße da, die mit der geballten Ladung würziger Agave aufwartet: weißer Pfeffer, mineralische Töne, dazu ein kräutriger Hintergrund, wirklich gelungen! Die 55% vol. sorgen natürlich schon für etwas „Punch“ auf der Zunge, hier passt das aber wunderbar und der Alkohol untermalt den weißen Pfeffer sehr schön.
Abgang: würzig und lang mit erdig-trockenen Noten
Tasting Notes „Tapatio Reposado“:
Aroma: Im Vergleich steigen hier deutlich sanftere Aromen auf. Eine schöne Fruchtnote von grünen Äpfeln und auch etwas Karamell fügt sich hier ins Gesamtbild. Holzige Noten ergänzen zudem die vegetalen Töne, die hier mehr in Richtung von Zucchini oder Paprika tendieren. Auch hier ein schönes, komplexes Aromenbild, wenn auch nicht ganz so beeindruckend wie beim Tapatio 110.
Geschmack: Auch am Gaumen spürbar milder mit der erwartbaren Vanille aus den Ex-Bourbon-Fässern, dazu aber auch überraschend fruchtige Töne von Pfirsichen und Aprikosen. Auch hier ist natürlich eine erdig-würzige Agave zugegen, die aber wesentlich weniger ungestüm daherkommt als noch beim Tapatio 110. Mit der Zeit stellt sich fast schon die Assoziation eines Cremedesserts in meinem Mund ein, etwa einer Crème brûlée.
Abgang: recht mild und zurückhaltend mit Eiche und etwas Zimt, mittellang
Zwei verschiedene Tequilas, zwei verschiedene Drinks – zum einen habe ich mich für eine Variante der klassischen Margarita entschieden. Und während der Tapatio Reposado natürlich auch direkt aus der Flasche in einem Drink eingesetzt werden kann, habe ich mich für meine Mamatarita dazu entschieden, ihn mit frischer Mango für 48 Stunden zu infundieren. Das Rezept zur Mamatarita stammt dabei übrigens nicht von meiner oder einer anderen Mama, sondern ist das Ergebnis der Vorsilben Mango-Mandarina-Tamarinde. Etwas Mandarinengeist von Faude Feine Brände und ein wenig Tamarindenmus geben dieser Version einen sehr schönen, fruchtig-frischen Twist.
Rezept „Mamatarita“:
5 cl mit frischer Mango infundierter Tapatio Reposado (s.u.)
1,5 cl Faude Feine Brände Mandarine aus Sizilien
2,5 cl Limettensaft
1 Barlöffel Tamarindenmus
1 cl Agavendicksaft
Mit frischer Mango infundierter Tapatio Reposado: Einfach eine Hand voll Mangowürfel auf jeweils 250 ml Tapatio Reposado geben und für 48 Stunden infundieren lassen. Schließlich durch ein Filtertuch herausfiltern (ich verwende zum Infundieren das Alkemista Infusion Vessel).
Zubereitung: Alle Zutaten auf Eis kräftig schütteln und ins vorgekühlte Glas abseihen.
Glass: Coupette
Garnitur: gedörrte Mangoscheibe
Zudem habe ich mich für einen Drink entschieden, der an seinem Ursprungsort, dem Simbal Restaurant in Los Angeles, als Sandia Negroni angeboten wird. Weil er aber eigentlich nicht viel mit einem Negroni gemein hat und er beim Imbibe Magazine, wo ich ihn auch entdeckt habe, als Sandia Watermelon Cocktail geführt wird, übernehme ich einfach diesen Namen. Ich hoffe, David Valdez, aus dessen Shaker der Drink stammt, wird mir das nachsehen. Besonders geeignet erscheint mir der Tapatio 110 in diesem Drink aufgrund seines erhöhten Alkoholgehalts, denn so behauptet er sich noch etwas besser gegen die restlichen Zutaten und hat mich vollauf überzeugen können. Achja: Im Originalrezept tauchen die Bittermens Habanero Bitters nicht auf. Weil diese aber so fantastisch mit Wassermelone harmonieren, habe ich mir die Freiheit herausgenommen, diese noch hinzuzugeben – eine gute Entscheidung!
Rezept „Sandia Watermelon Cocktail“:
3 cl Tapatio 110 Tequila
3 cl Aperol
3 cl frischer Wassermelonensaft
1,5 cl Limettensaft
0,75 cl Ingwersirup
1 Dash Bittermens Hellfire Habanero Shrub
Zubereitung: Alle Zutaten kräftig auf Eis schütteln und ins mit massivem Eis gefüllte Glas abseihen.
Glas: Tumbler
Garnitur: Melonenkeil (im Original ein in Chilisaft eingelegtes Wassermelonenkügelchen mit einem Blatt Minze)
Bezugsquellen:
*Der Umstand, dass mir diese Produkte zu redaktionellen Zwecken unentgeltlich zur Verfügung gestellt worden sind, bedeutet nicht, dass in irgendeiner Weise Einfluss auf den Artikelinhalt oder meine Bewertung genommen wurde. Vielmehr ist es für mich stets unverrückbare Bedingung, völlig frei und unbeeinflusst rezensieren zu können.
Top. Wiedermal gut recherchiert und super geschrieben. Mehr davon 😉
Vielen, lieben Dank, Markus!
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