Auch wenn die Veränderungen der hiesigen Barlandschaft in den letzten Jahren viele Gesichter tragen, so ist eines davon sicherlich das Erstarken der mexikanischen Spirituosen Tequila und Mezcal. Zugegeben, die Realität deckt sich in Deutschland und den meisten anderen europäischen Ländern längst noch nicht mit den immer wieder aufkommenden Prognosen, die beiden Spirituosengattungen eine strahlende Zukunft prophezeien (anders als in den USA), aber dennoch ist zumindest der Name Mezcal mehr und mehr Leuten ein Begriff geworden. (zugesandtes Testprodukt)*
Das ist tatsächlich ein noch sehr junges Phänomen, denn noch vor fünf Jahren hätte in meinem Umfeld außerhalb der Barwelt kaum jemand etwas mit diesem Wort anzufangen gewusst. Obwohl im Grunde genommen doch jeder schon zumindest einen Mezcal kannte und auch schon getrunken hatte. Denn dieser Mezcal war letztlich nichts anderes als ein Tequila. Dass Tequila ein Mezcal ist, aber nicht jeder Mezcal ein Tequila, gehört wohl inzwischen zu den klassischen Grundlagen, die man so zu hören oder zu lesen kriegt, wenn man sich etwas näher mit der Materie beschäftigen will. Da ich hier aber nicht nochmals sämtlich Grundlagen dazu abarbeiten will, möchte ich an dieser Stelle auf meinen Artikel über die Miel de Tierra Mezcals verweisen, in dem ich die Grundlagen der Mezcalherstellung umreiße, sowie auf meinen Artikel über den Casa Noble Reposado, in dem es um Tequila im Besonderen geht.
Der eigentlich jedem bekannte Tequila war jedenfalls der berühmt berüchtigte Sierra Silver Tequila (oder wahlweise auch der goldene). Viele Menschen aus meinem Umfeld verbanden – wenn überhaupt – mit dieser Spirituose wohl höchstens eine Art Hassliebe. Wirklich gern hat ihn kaum jemand getrunken, in erster Linie stand der Spaß um Zitrone, Salz und Co im Vordergrund, der als Partyritual zumindest lustig verzogene Gesichter mit sich brachte. Für qualitative Premiumspirituosen steht der Name Sierra jedenfalls in der Wahrnehmung der breiten Masse eher nicht. Das ist wohl die Schattenseite der erdrückenden Marktdominanz im Tequilasegment.
Dass aber eine Marke mit einer solchen Dominanz natürlich auch das Zeug dazu hat, aus dem Mixto-Tal empor zu steigen und mit qualitativ anspruchsvollen Premiumtequilas aufzuwarten, ist sicherlich deutlich wenigeren bekannt. Die Frage ist nur, kann Sierra auch wirklich Premiumtequila? Um das unter Beweis zu stellen, gibt es die Sierra Milenario Tequilas. Dabei handelt es sich um eine ganze Reihe von Agavenbränden, zu denen ein Blanco, ein Reposado, ein Añejo, ein Extra-Añejo sowie ein „Fumado Tequila“ gehören. Zudem wird auch noch ein Kaffeelikör in dieser Reihe verkauft, bei dem es sich aber um keinen reinen Tequila handelt. All die genannten Tequilas sind ausschließlich 100%-Agave Tequilas und repräsentieren unterschiedliche Geschmacks- und Reifequalitäten. Für mich von besonderem Interesse war hier v.a. der Fumado Tequila, versprach dieser doch, mit einer gewissen Rauchnote die Verwandtschaft von Tequila mit der Überkategorie Mezcal zu unterstreichen (die ja in den meisten Fällen sehr rauchig daherkommt). Ob und inwiefern dies tatsächlich der Fall ist, lässt sich anhand meiner Tasting Notes weiter unten ablesen.
Zunächst möchte ich aber noch ein paar Details über die Sierra Milenario-Reihe sowie den Fumado Tequila im Besonderen darlegen. Auffällig sind sicherlich erst einmal die Flaschen. Diese gefallen mir wirklich ausgesprochen gut und setzen dabei marketingtechnisch voll auf die Mayahistorie des Landes (neben den Azteken sind vor allem die Maya als indigene Kultur Mexikos bekannt – und existieren sogar bis heute). Die Flaschen erinnern in ihrer Form jedenfalls klar an die bekannte Pyramidenform der Maya und um den Hals tragen sie kleine, sehr hübsch gestaltete Anhänger. Diese Anhänger zeigen – je nach Flasche – unterschiedliche Schutzgottheiten des Tzolkin-Kalenders. Auf der Rückseite der Flaschen finden sich zudem interessante Details über die jeweilige Flasche (s. Foto).
Der Sierra Milenario Fumado Tequila steht jedenfalls im Zeichen des ersten Schutzgottes des Tzolkin-Kalenders: des Krokodilgottes Imix. Auf dem Rückenetikett erfahren wir zudem – neben Informationen über die Flaschennummer, dem Namen des Master Distillers und einer Abbildung des Emblems Imix‘ – dass dieser Tequila doppelt auf Kupferpotstills gebrannt wurde und anschließend eine kurze Zeit (die nicht näher spezifiziert ist) in mexikanischen Holzfässern gefinisht worden ist. Angesichts der klaren Farbe kann es sich hier wirklich nur um einen sehr kurzen Zeitraum gehandelt haben. Welche Fässer aber genau mit „mexikanischem Holz“ gemeint sind, erfahren wir letztlich nicht. Mit 41,5% wird der Sierra Milenario Fumado jedenfalls in einer ansprechenden Trinkstärke in die Flaschen gefüllt. Die Agaven stammen aus Los Altos und – diese Information entstammt nicht dem Flaschenetikett – wuchsen dort in einem Zeitraum von etwa zehn Jahren.
Nun gut, die äußeren Rahmeninformationen wirken also recht vielversprechend. Wie schlägt sich aber nun der in Guadalajara, der Hauptstadt Jaliscos, gebrannt Fumado Tequila?
Tasting Notes:
Aroma: Zunächst vernehme ich typische, erdige Agaventöne, weißen Pfeffer, süßliche Noten unreifer Früchte (grüne Bananen, Feigen) und einen doch recht leichten Rauch. Zudem ist auch eine sehr feine und subtile Vanille mit von der Partie, die sich mit der Zeit aus den Noten grüner Bananen herauszulösen vermag. Beim Namen Fumado hatte ich hier allerdings etwas mehr Rauch erwartet.
Geschmack: Und da ist er dann doch auf einmal recht deutlich, der Rauch! War er in der Nase wirklich zurückhaltend, entfaltet er sich am Gaumen wesentlich mehr und lässt in der Tat eine gewisse Nähe zu sonst aus dem Mezcalbereich bekannten Geschmackswelten erkennen, auch wenn er dabei nicht an die Intensität des Rauches der meisten dieser Agavenbrände heranreicht. Hinzu kommen sehr schöne vegetale, leicht süßliche Noten, erdige Agave und wieder ein charakteristischer, weißer Pfeffer. Der Alkohol ist sehr gut eingebunden und bringt die Geschmacksnuancen sehr schön zur Geltung. Ein sehr gelungener Tequila, keine Frage!
Abgang: überraschend mild und weich, mit anhaltenden Gewürzanklängen (wieder weißer Pfeffer, etwas Zimt) und mineralischen Tönen
Im Nachgang dieses Tastings habe ich mich sofort hingesetzt und sehr intensiv über einen passenden Cocktail nachgedacht. Sehr oft kommen mir während eines Tastings intuitiv die ersten Ideen, dieses Mal bin ich jedoch eher „verkopft“ an die Sache herangegangen. Ich wusste, dass ich den Rauch irgendwie mit Fruchttönen kombinieren, dabei aber auch die Charakteristik des Tequilas in Ehren halten wollte. Also ging ich im Kopf einige Möglichkeiten durch und landete schließlich auf unerwarteten Wegen. Was jetzt vielleicht irgendwie weniger vielversprechend klingen mag, entpuppte sich aber als Glücksgriff. Ich wollte einfach eine Geschmackswelt eröffnen, die einem Tzolkingott würdig ist und die den Genießer auch dazu anregt, wirklich seine Aufmerksamkeit dem Drink zu schenken. Und die ihn dann schließlich begeistert!
Ich hoffe, dass mir dies gelungen ist. Teatime with Imix habe ich den Drink jedenfalls genannt, denn so stelle ich mir ein Getränk vor, dass man neben einigen himmlischen Gebäckteilchen am Tisch einer Krokodilgottheit serviert bekommen könnte: mit der Farbe dunklen Blutes wartet diese Mischung aus Sierra Milenario Fumado Tequila, Zitronensaft, dem frisch gepressten Saft roter Bete (aus dem Entsafter), frischen Himbeeren, einem Dash feuriger Habanero Bitters und der einer Teatime obligatorischen Marmelade (in diesem Fall Kirschmarmelade) auf. Rauch, tiefdunkle Früchte, Feuer, Frische, Erdigkeit und Exotik, dieser Drink hat einfach alles! In diesem Sinne bitte ich dann auch zu Tisch: Teatime with Imix!
Rezept „Teatime with Imix“:
6 cl Sierra Milenario Fumado Tequila
2 cl Zitronensaft
1 cl Rote Bete-Saft (frisch aus dem Entsafter)
2 Barlöffel Kirschmarmelade
6 Himbeeren
1 Dash Bittermens Hellfire Habanero Shrub
Zubereitung: Zunächst die Himbeeren im Shaker mit dem Barstößel zerdrücken. Restliche Zutaten hinzugeben und kräftig auf Eis für ca. 20 Sekunden schütteln. Anschließend doppelt ins vorgekühlte Glas abseihen.
Glas: Coupette
Garnitur: Himbeere und eingelegte Kirsche
Bezugsquellen: Im Fachhandel oder online
*Der Umstand, dass mir dieses Produkt zu redaktionellen Zwecken unentgeltlich zur Verfügung gestellt worden ist, bedeutet nicht, dass in irgendeiner Weise Einfluss auf den Artikelinhalt oder meine Bewertung genommen wurde. Vielmehr ist es für mich stets unverrückbare Bedingung, völlig frei und unbeeinflusst rezensieren zu können.
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