Obwohl ich es schon lange immer mal wieder vorhatte, habe ich mir bisher nie die Zeit genommen, über Wermut zu schreiben. Dabei ist Wermut doch eine der elementarsten Zutaten hinter jeder etwas auf sich haltenden Bar und mit der Geschichte der Cocktails so eng verwoben wie nur wenig andere Zutaten. Insofern ist es auch nahezu unmöglich, hier eine umfängliche oder gar enzyklopädische Abhandlung der Thematik zu liefern. Und eigentlich geht es ja auch um drei bestimmte Wermuts, die hier ihre Gattung repräsentieren. (Zugesandte Testprodukte*)
Wermuts, oft auch in der englischen Schreibweise als Vermouths anzutreffen, sind im Grunde nichts anderes als ein mit Kräutern und / oder Gewürzen versetzter, aufgespriteter Wein, insofern passen sie eigentlich nicht so richtig in einer Kategorie namens „Pure Spirits“. Aber was genau bedeutet das eigentlich? Oftmals liest man in diesem Zusammenhang auch die Bezeichnung „Likörwein“, was aber manchmal auch ein wenig in die Irre führt. Viele Menschen erwarten von einem Likörwein einfach einen süßen und eher schweren Wein, was auch oftmals stimmt. Aber bei weitem nicht jeder aufgespritete Wein ist süß und auch nicht immer schwer, wie z.B. jeder, der einmal einen spanischen Manzanilla-Sherry probiert hat, bestätigen kann. Letztlich wird anstelle von aufspriten oft auch „verstärken“ als Begriff angeführt, was eher dem geläufigen Begriff „to fortify“ aus dem Englischen entspricht. Und tatsächlich wird hier schlicht durch die Zugabe von nicht aus der eigentlichen Gärung des Ausgangsweines stammendem Alkohol (meist aber aus Trauben gewonnen) die Stärke des entsprechenden Weines eben verstärkt. Wenn wir uns nun auf Wermut konzentrieren, so kommt eben noch die Zugabe von Kräutern oder Gewürzen hinzu, die zusammen mit dem Wein in Tanks oder Fässern eine Weile lagern bzw. reifen dürfen, bevor dann der Wermut in Flaschen abgefüllt wird. Die Zusammensetzung dieser Kräuter- bzw. Gewürzmischungen variiert natürlich von Hersteller zu Hersteller, wobei Wermutkraut die namensgebende Gemeinsamkeit dieser aufgespriteten Weine bildet. Und anders als im Bereich mancher Spirituosen, wie z.B. beim Rum, ist die Zugabe von Zucker im Wermut kein Skandal, sondern die Regel. Der Zuckergehalt variiert jedoch deutlich, ganz abhängig davon, ob man einen eher trockenen oder süßlichen Wermut anbieten möchte (meist zwischen 10% und 15% Zuckergehalt bei süßeren Wermuts und nicht mehr als 4% bei den trockeneren). Ohnehin: Süß und trocken ist hier so eine Sache, denn ganz pauschal kann man zunächst nicht sagen, ob man es mit einem trockenen oder eher süßen Wermut zu tun hat. Gemeinhin gelten französische Wermuts als die trockeneren, während die italienischen als die süßeren gelten. Man merkt schon: Frankreich und Italien werden gemeinhin als die Wermutnationen betrachtet, was sich auch durchaus in der Bandbreite an hergestellten Produkten widerspiegelt. Liest man in älteren Cocktailbüchern um die Jahrhundertwende die Bezeichnung „Italian vermouth“, so ist meist ein süßerer (und i.d.R. roter) gemeint. Man kann also auch einen lieblicheren, französischen Wermut wählen. Ist dort hingegen etwas von „French vermouth“ zu lese, so hat der Autor meist einen hellen, trockenen Wermut im Kopf gehabt. Aber auch hier kann natürlich ein trockenerer Italiener eine gute Figur abgeben.
Und noch ein Wort zur Farbe: Es wird vielleicht manchen enttäuschen, wenn sie oder er erfährt, dass die Farbe im Wermut durch Zuckercouleur erzeugt wird. Wermuts sind von Natur aus tatsächlich allesamt hell. Trotzdem weisen die roten Varianten bei den meisten Herstellern auch eine andere Kräuterbasis, einen anderen Zuckergehalt o.ä. auf, so dass sie nicht nur die Farbe von den weißen Geschwistern unterscheidet. Eigentlich wurde ursprünglich nur zwischen trocken und süß unterschieden, im Laufe der Geschichte haben sich aber eben auch farbliche Abstufungen durchgesetzt. Neben den an sich klassisch trockenen weißen (oder auch extra dry) und eher süßlichen weißen (bianco), haben sich somit auch roter Wermut, bernsteinfarbener oder goldener Wermut sowie rosé Wermut durchgesetzt. Ein Fest für den Freund von Zuckercouleur.
So, nun genug der Allgemeinkunde, Zeit, einen etwas näheren Blick auf die konkreten Flaschen zu werfen, um die es heute gehen soll. Die Mulassano Vermouths stammen – der Name lässt er erahnen – aus Italien. Aus dem norditalienischen Turin, der Hauptstadt des Piemont, um genau zu sein. Und obwohl sie eine Neuerscheinung auf dem in den letzten Jahren durchaus florierenden Wermutmarkt sind und jetzt auch erstmalig für den deutschen Markt durch den Vertrieb Kirsch Whisky verfügbar gemacht wurden, gibt es die Mulassano Vermouths eigentlich schon deutlich länger. Zumindest erzählt das die Marketinggeschichte des Produktes. Die Mulassanos stammen nämlich aus dem gleichnamigen Café in Turin, welches dort eine gastronomische Institution ist. Gelegen an der Piazza Castello ist das Café bereits seit 1879 ein beliebter Treffpunkt bei Intellektuellen, die dort durchaus auch gerne den hauseigenen Wermut genießen. Nach einem alten Originalrezept des Gründers Amilcare Mulassano hergestellt, welches er gemeinsam mit dem Brennmeister Pietro Bordiga kreiert hat, will man nun mit dem hauseigenen Wermut in der (auch in Italien) aufstrebenden Cocktailwelt mitmischen.
Gleich drei Flaschen treten dabei in den Ring: Ein roter Wermut, ein klassischer weißer und ein weißer „Extra Dry“. Bei Wermut bin ich vor allem gespannt, wie er sich in klassischen Drinks schlägt. Dazu habe ich den roten Wermut in einem meiner Alltime-Favorites, dem Negroni, eingesetzt. Der Extra Dry Vermouth hat den Weg in einen klassischen Martini gefunden und für den Bianco habe ich mich abermals für einen Negroni entschieden, allerdings einen „White Negroni“ mit Suze, einem Enzianbitterlikör und etwas anders gewichteten Mengenverhältnissen. Eigentlich wird hier Lillet Blanc verwendet, aber heute hat natürlich der Mulassano Bianco seinen großen Auftritt.
In der Purverkostung gefallen mir die Mulassano Wermuts durchaus. Sie kommen betont weinig daher und haben sich ein nicht selbstverständliches Maß an Spritzigkeit bewahrt. Selbst der Mulassano rosso fällt nicht sonderlich schwer aus. Sie bestechen eher durch eine gekonnte Balance aus Leichtigkeit und kräutriger Würzigkeit. Der Bianco weist zudem eine schöne Honigsüße auf, während der Extra Dry zwar eindeutig trocken ausfällt, jedoch trotzdem nicht zu den trockensten Vertretern seiner Art zählt.
Vor allem sind es aber die Cocktails, die hier auf dem Prüfstein stehen und da haben mir im Grunde alle drei gut gefallen. Im Negroni gibt der Mulassano rosso eine gute Figur ab, auch wenn er für mich persönlich nicht ganz an einen Carpano Antica Formula heranreicht. Trotzdem kommt der Negroni mit Körper und einer feinen Süße daher, die mir durchaus zusagt. Der Martini im Verhältnis 6 cl Cotswolds Gin und 2 cl Wermut mit dem Mulassano Extra Dry ist ein schöner und eher spritziger Vertreter seiner Art. Churchill wäre er sicherlich nicht trocken genug und auch so habe ich schon trockenere Martinis mit diesen Mengenverhältnissen getrunken, aber jetzt im Sommer darf es auch durchaus mal etwas floraler und sogar ein klein wenig süßlicher sein. Also auch hier ein letztlich positives Fazit.
Mein persönlicher Favorit war aber der Mulassano Bianco, der mit seiner sehr schönen Honigsüße und seiner subtil kräutrigen Seele hervorragend in Wayne Collins „White Negroni“ harmoniert. Eine würzig herbe und leicht bittere Geschmacksreise, die ich auch gerade im Sommer jedem Freund des Negronis empfehlen kann! Die Mengenverhältnisse habe ich etwas zugunsten des Mulassano Bianco abgewandelt, bin aber damit sehr zufrieden, auch wenn der White Negroni natürlich so etwas „weiniger“ ausfällt.
Rezept „White Negroni“ (leicht abgewandelte Variante):
4 cl Gin (z.B. Cotswolds)
3,5 cl Mulassano Bianco
2 cl Suze Enzianlikör
0,5 cl Marcel Michel Eau de Vie de Gentiane Supérieure
Zubereitung: Alle Zutaten auf Eis kalt rühren und ins vorgekühlte Glas abseihen.
Glas: Coupette / Cocktailschale
Garnitur: Zitronenzeste
Bezugsquellen: Im Fachhandel oder online.
*(Der Umstand, dass mir dieses Produkt zu redaktionellen Zwecken unentgeltlich zur Verfügung gestellt worden ist, bedeutet nicht, dass in irgendeiner Weise Einfluss auf den Artikelinhalt oder meine Bewertung genommen wurde. Vielmehr ist es für mich stets unverrückbare Bedingung, völlig frei und unbeeinflusst rezensieren zu können.)
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