Es ist wieder so weit und ich wage mich an meine erste Spirituosenverkostung seit meiner Corona-Infektion. Und diese habe ich bewusst so gewählt, dass ein gewisser Vergleich möglich wird. Einerseits, um vor mir selbst die Gewissheit zu haben, dass die Wahrnehmung nicht mehr für diese Zwecke unzureichend ist, andererseits, um auch ganz im Sinne der hier rezensierten Produkte eine Orientierung abgeben zu können. Um es weniger abstrakt zu sagen: Ich verkoste heute zwei Ginabfüllungen des gleichen Herstellers – eine davon habe ich bereits vor der Infektion verkostet, die andere verkoste ich nun im Vergleich dazu. (zugesandte Testprodukte)*
Bei den genannten Produkten handelt es sich um Gins der LoneWolf-Reihe, welche vielleicht auch manchem Biertrinker ein Begriff sein könnte, denn der Hersteller hinter diesen Wacholderdestillaten ist niemand anderes als der schottische Craft-Brewer Brewdog. Das wird vielleicht nicht auf den ersten Blick deutlich, ist aber durch einen Blick auf die Flaschen und ein wenig Recherche leicht herauszufinden. Die zwei Gins, um die es mir heute geht, sind zum einen der LoneWolf Cloudy Lemon Gin und der LoneWolf Chilli and Lime Gin. Der LoneWolf Chilli & Lime Gin ist dabei die neuere Abfüllung und wirkt auf den ersten Blick auch sicherlich noch abgefahrener bzw. innovativer, spricht aber vielleicht nicht jedermann gleichermaßen an.
Apropos erster Blick und ansprechen: Der geschätzte Kollege Johann von Cocktailbart hat sich in seiner unnachahmlichen und sehr treffenden Art und Weise über das Design der Flasche(n) wie folgt geäußert: „Auf den ersten Blick haben wir das überkandidelte Design mit der Prägung, den goldenen Ornamenten und der martialischen Dynamik in unsere emotionale Schublade für Ed Hardy-Shirts gelegt. Schaut man sich den extrem detaillierten Wolfskopf etwas genauer an, wächst er einem aber doch ans Herz, vor allem weil die Flasche in der Homebar tatsächlich auch nach 10 Jahren Gin-Hype extrem heraussticht.“ Dem habe ich nicht im Grunde nichts mehr hinzuzufügen.
Kommen wir also nun zum Inhalt: Der LoneWolf Cloudy Lemon Gin wurde mit den Botanicals Angelikawurzel, Grapefruitzeste, Kardamom, Koriander, Lavendel, Zitronengras, Mandel, Orriswurzel, Wacholder und Zitronenschalen hergestellt. Das Besondere ist hierbei eine einwöchige Mazeration des Gins mit sizilianischen Zitronenschalen (nach der Destillation), was auch verantwortlich für die Färbung des Gins ist. Abgefüllt wird er schließlich mit 40% vol.
Zur Seite steht dem LoneWolf Cloudy Lemon Gin nun eben auch der bereits genannte LoneWolf Chilli & Lime Gin. Chilli gehört nicht unbedingt zu den häufig angetroffenen Botanicals in einem Gin (Limette hingegen schon), was natürlich eine entscheidende Frage aufwirft: muss ich hier mit einem scharfen Gin rechnen, der mir beim Trinken ein ordentliches „Feuer“ beschert? Nein, nicht wirklich! Es ist eine gewisse Schärfe da, ja, aber niemand muss hier Angst haben, dass er versehentlich zur Hot Sauce gegriffen haben könnte. Doch dazu weiter unten mehr. Neben Wacholder, Kardamom, Angelikawurzeln und Kiefernnadeln sind hier – wenig überraschend – mexikanische Limetten Teil der Botanicalkomposition. Und eben auch Habaneros sowie Scotch Bonnet Chilis. Nach meinem Wissen über Destillationsverfahren geht Capsaicin (das für die Schärfe verantwortliche Alkaloid) bei der Destillation nicht oder nur eingeschränkt ins Endprodukt über, was also vor allem die fruchtig-würzigen Aspekte der Chilisorten (welche ich beide sehr liebe) hervorbringen dürfte. Im Gegensatz zum Cloudy Lemon Gin haben wir hier auch einen leicht erhöhten Alkoholgehalt mit 44% vol. insgesamt.
Wie schmecken die beiden Gins also?
Tasting Notes „LoneWolf Cloudy Lemon Gin“:
Aroma: Ok, hier ist die Programmatik unverkennbar und von Anfang an erwartbar klar: volle, satte, Zitrone. Allerdings in einer durchaus komplexen und sehr gelungenen Art und Weise: es findet sich sowohl eine spritzig-frische Note, aber auch tiefe, würzige Töne von der Schale, die sehr harmonisch mit Wacholder Hand in Hand gehen und die aus vielen zitrustönigen Gins bekannte Liaison noch einmal auf neue Höhen treiben. Zitronengras erweitert letztlich die Aromatik um eine neue Komponente, aber auch (allerdings eher hintergründig) Koriander und Kardamom scheinen durch. Ein würziges Aromenbild, das mir als Zitronen-Liebhaber Lust auf den ersten Schluck macht.
Geschmack: Am Gaumen ein frisch-würziges Erlebnis im wahrsten Sinne des Wortes. Die Zitrone macht sich sofort im Mundraum breit, spritzig-säuerlich, aber auch mit Assoziationen von Süße (fast wie von kandierten Zitronenschalen) und eben der vollen Ladung Zeste: feine, würzige Bitternoten, wie ich sie auch in guten Marmeladen schätze verbinden sich auch hier mit den Gewürzen des Gins. Wacholder kommt stets durch und balanciert den Gin gekonnt, ohne ihn zu einer einseitigen Zitronenattacke der lieblosen Art werden zu lassen. Mir gefällt diese Abfüllung wirklich sehr gut.
Abgang: lang mit – wer hätte es gedacht? – Zitrone (vor allem Zitronenschalen)
Tasting Notes „LoneWolf Chilli & Lime Gin“:
Aroma: Im Vergleich zum Cloudy Lemon Gin wirkt der Chilli & Lime Gin in der Nase fast schon gewöhnlich. Aber das ist sicherlich auch dem Kontrast geschuldet. Man vernimmt hier eindeutig eine Wacholder- und Limettenspeerspitze, die einer Kohorte von klassischen Ginaromen voranschreitet. Kardamom ist da, Kiefernnadeln sind ebenfalls zu vernehmen und vermischen sich mit dem Wacholder zu einer leicht-würzigen, etwas harzigen Unternote. Eine gewisse Fruchtigkeit kommt mit der Zeit hindurch, die entfernt an Paprika oder Aprikosen erinnert, hier dürften sich die Chilis also bemerkbar machen.
Geschmack: Auch am Gaumen ist es zunächst nicht etwa eine scharfe Chili-Attacke (die muss man überhaupt nicht fürchten), sondern der Zweiklang aus Wacholder und Limette, der sich zeigt. Dann kommt eine frische, leichte Schärfeassoziationen (!) hervorbringende Note hinzu, die man so auch von Ingwer kennt. Mit der Zeit zeigen sich aber auch hier wieder typische Habaneronoten mit ihrer fruchtigen Würze, die zu keinem Zeitpunkt den Gaumen verbrennen, sondern sehr gelungen das Geschmacksbild des Gins abrunden. Mir gefällt auch diese Abfüllung – und dass ich überhaupt wieder so differenziert über den Geschmack einer Spirituose schreiben kann, macht diese Verkostung (und damit für mich auch irgendwie diesen Gin) noch einmal auf ganz andere Weise besonders.
Abgang: durchaus lang mit würzigen Noten und leichten Assoziationen von Chilischärfe.
Zwei Gins, zwei Cocktails – so lautet heute die Devise.
Und den Anfang macht der LoneWolf Chilli & Lime Gin. Hier habe ich nicht lange überlegen müssen, wo ich einen aromatischen Anknüpfungspunkt für diesen Gin finden könnte: bei der Orange. Eigentlich harmonieren fast alle Aromen dieses Gins wunderbar mit Orangen: Limetten, Chilli, Wacholder, Paprika und Aprikosen, all das geht ganz hervorragend mit den beliebten Saftfrüchten zusammen. Und da kam mir der Blooded Knees Cocktail in den Sinn, den Simon Difford als Twist des Bee’s Knees erfunden hat. Die Chilinoten funktionieren ganz wunderbar in diesem Drink und der LoneWolf Chilli & Lime Gin hat wirklich Raum zu glänzen. Wer eine Saftpresse hat, kann hier leicht noch eine sehr interessante Nuance mit einbringen und zwei Barlöffel vom Saft einer roten Paprika zugeben: funktioniert fantastisch.
Rezept „Blooded Knees“ (von Simon Difford, leicht veränderte Variante):
6 cl LoneWolf Chilli & Lime Gin
2 cl Honigsirup (3 Teile Honig auf 1 Teil Wasser, s.u.)
2,25 cl Blutorangensaft
2,25 cl Zitronensaft
2 Barlöffel (meine Barlöffel umfassen jeweils ungefähr 0,25 cl) Saft von der roten Paprika aus dem Entsafter (optional, wertet den Drink aber wirklich auf!)
Honigsirup: Einfach drei Teile Honig und ein Teil Wasser in einer Pfanne oder einem kleinen Topf kurz erhitzen und umrühren. Sobald sich ein homogener Sirup ergeben hat, vom Herd nehmen und abkühlen lassen.
Zubereitung: Alle Zutaten im Shaker auf Eis kräftig schütteln und ins vorgekühlte Glas abseihen.
Glas: Coupette
Garnitur: Orangenzeste
Bleibt also noch der LoneWolf Cloudy Lemon Gin. Tja und hier habe ich mich für einen würzigen Crusta-Cocktail entschieden. Der Gin wird hier vom würzig-erdigen Exliri China aus dem Haus Nardini flankiert. Dazu kommen – crustatypisch – Zitronensaft und Zucker sowie ein Dash Orange Bitters und ein Dash By the Dutch Ginger Bitters. Das Ergebnis schmeckt wie die Essenz bitterwürziger Citrusschalen, weshalb der Drink einfach „The Zesty Crusta“.
Rezept „The Zesty Crusta“:
6 cl LoneWolf Cloudy Lemon Gin
1,5 cl Zuckersirup
2 cl Zitronensaft
0,75 cl Nardini Elixir China
1 dash Orange Bitters
1 dash Ginger Bitters (By the Dutch)
Zubereitung: zunächst die Hälfte einer Orange möglichst in einem Stück schälen, so dass man eine rundherum und breit geschnittene Orangenschale erhält. Nun das leicht vorgekühlte Glas mit etwas Orangenfruchtfleisch befeuchten und in einem Teller mit Vanillezucker drehen (für diesen habe ich eine aufgeschnittene Vanilleschote in ein Schraubglas mit Zucker gegeben und einige Tage durchziehen lassen), so dass ein Zuckerrand entsteht. Jetzt vorsichtig die Orangenschale so in das Glas geben, dass sie feststeckt und nicht auf den Glasboden fällt. Anschließend alle Zutaten auf Eis kräftig shaken und vorsichtig in das Glas abseihen, ohne den Zuckerrand zu beschädigen. Jerry Thomas empfiehlt in seiner Anweisung zur Herstellung einer Crusta, man solle bei diesem Schritt nun lächeln. Am besten seiner Anweisung folgen!
Glas: Crusta (ein Sour- bzw. Proseccoglas funktioniert auch)
Garnitur: Vanillezucker als Crusta und Orangenschale (s.o.)
Bezugsquellen: Im Fachhandel oder online
*Der Umstand, dass mir diese Produkte zu redaktionellen Zwecken unentgeltlich zur Verfügung gestellt worden sind, bedeutet nicht, dass in irgendeiner Weise Einfluss auf den Artikelinhalt oder meine Bewertung genommen wurde. Vielmehr ist es für mich stets unverrückbare Bedingung, völlig frei und unbeeinflusst rezensieren zu können.
Macht richtig Lust aufs Ausprobieren! Herzlichen Dank für den Tipp.
sehr gern.
Pingback: LoneWolf Guava & Red Banana & Tropical Twilight Gloom | Galumbi