Natürlich ist es für einen Blogger wie mich nicht annähernd möglich, mit der Flut an Neuerscheinungen auf dem Spirituosenmarkt Schritt zu halten und hier eine flächendeckend vollständige Rezensionsdichte zu veröffentlichen. Deshalb gibt es unzählige Abfüllungen, darunter auch längst etablierte Spirituosen, denen ich mich hier noch nie angenommen habe (und zu großen Teilen wohl auch nie annehmen werde). Aktualität im Sinne von Produkterstveröffentlichungen kann ich also nicht immer garantieren. So sollte es nicht verwundern, wenn manchmal auch Artikel über Abfüllungen erscheinen, die eigentlich schon längst am Markt etabliert sind. (zugesandtes Testprodukt*)
Genau solch ein Fall ist nämlich die heutige Flasche: der Niemand Dry Gin. Ginfreunden ist dieser Name schon seit Jahren ein Begriff und auch viele Laien oder nur teils an der Materie Interessierte dürften die Flasche mit dem einprägsamen Namen bereits (auch dank der guten Verfügbarkeit) schon einmal in irgendwelchen Regalen vorgefunden haben – oder eben im eigenen Glas. Das alles hindert mich jedoch nicht daran, den Niemand Dry Gin, welchen ich selbst in der Vergangenheit auch schon bei Tastings eingesetzt habe, hier einmal zu rezensieren.
Der Niemand Dry Gin ging im Jahr 2015 an den Start. Fast bin ich geneigt zu sagen: auf der Höhe der Gin-Welle, doch dafür müsste die Welle ja inzwischen abgeebbt sein, was – allen Unkenrufen zum Trotz – noch immer nicht passiert ist. Die beiden Gründer Sebastian Otto und Torben Paradiek waren selbst im Vorfeld schon vom Thema begeistert und betrieben schon 2014 mit „Gin Flight“ einen Verkauf von speziell auf den Genuss von Gin & Tonics abgestimmten Gewürzen. Die beiden Hannoveraner entwickelten schließlich ihren eigenen Gin, welcher auch in Hannover gebrannt wird. Das Besondere war, dass man weg wollte von der gängigen Zitrusnote in den meisten erhältlichen Gins. Stattdessen setzte man auf eine Botanical-Komposition aus Lavendel, Sandelholz, Rosmarin, Apfel, Ingwer, Zimt, Koriander, Vanille, Pinienkerne, Wacholder, folglich also auf einen eher würzigen Ansatz. Der Niemand Dry Gin bietet mit 46% vol. eine klassische, ansprechende Trinkstärke, die die Aromen gut transportieren soll. Ob das gelingt, habe ich natürlich auch noch einmal gesondert untersucht.
Tasting Notes:
Aroma: Rosmarin und Sandelholz sind hier wirklich unverkennbar und bilden direkt als Auftakt auch das Herz und die Seele dieses Gins ab. Der Ersteindruck fällt somit klar würzig aus, kommt schließlich aber auch mit Wacholder und Gewürznoten von Zimt und Muskat daher. Auch finde ich an Kiefernnadeln erinnernde Nuancen, vielleicht etwas Harz, sowie frische Töne von Ingwer und einen feinen, floralen Unterbau. Zitrusnoten findet man in dieser Form wirklich nicht, höchstens als Assoziationen in der Peripherie des Ingwers.
Geschmack: Auch geschmacklich trumpft der Niemand Dry Gin sofort würzig-kräftig auf. Rosmarin, Harz und Wacholder sind da, dicht gefolgt vom sehr schön eingebundenen Sandelholz. Und dann finde ich auch wieder den Ingwer mit seinen Assoziationen von frischer, würziger Schärfe. Der Alkohol ist gut eingebunden und transportiert zum Ende hin auch wieder feine, florale Töne von Koriander, Lavendel und etwas Apfel.
Abgang: mittellang, anhaltend ingwerwürzig
In puncto Drink habe ich mich für einen relativ schlichten, gerührten Straight-Up-Cocktail entschieden. Der Niemand Dry Gin weist an sich keine Orangennoten auf, weshalb ich diese seinem würzig-kräftigen Naturell in Form des sehr schönen Nardini Elixir China zur Seite gestellt habe. Dazu gesellt sich noch ein Blend aus zwei weißen Wermuts: zum einen der Werner RG White Wermut, zum anderen der Vermouth Del Professore Classico Tradizionale und ein paar Dashes Bitters, das war es auch schon. Genannt habe ich den Drink einfach: Nessuno, was schlicht „Niemand“ auf Italienisch bedeutet und außerdem ein berühmter Song aus dem Jahr 1959 von Antonietta De Simone and Edilio Capotosti ist.
Rezept „Nessuno“:
4 cl Niemand Dry Gin
2,5 cl Nardini Elixir China
2 cl Vermouth Del Professore Classico Tradizionale
1 cl Werner RG White Wermut
1 Dash Celerey Bitters
Zubereitung: Alle Zutaten im Rührglas auf Eis kalt rühren und ins vorgekühlte Glas abseihen. Mit dem Öl der Zitronenzeste besprühen.
Glas: Coupette
Garnitur: Zitronenzeste
Bezugsquellen: Im Fachhandel oder online
*Der Umstand, dass mir dieses Produkt zu redaktionellen Zwecken unentgeltlich zur Verfügung gestellt worden ist, bedeutet nicht, dass in irgendeiner Weise Einfluss auf den Artikelinhalt oder meine Bewertung genommen wurde. Vielmehr ist es für mich stets unverrückbare Bedingung, völlig frei und unbeeinflusst rezensieren zu können.