In all den Jahren des Bloggens habe ich natürlich auch schon eher skurrile oder abgefahrene Spirituosen probiert. Meistens denkt man dabei an Kategorien, die fernab von dem liegen, was man sonst so gewöhnt ist (wie z.B. Baijiu), aber das muss nicht zwangsläufig der Fall sein, wie der heutige Artikel sicherlich zeigen wird. Denn für die heute im Mittelpunkt stehende Flasche reicht der Besuch in einem deutschen Nachbarland: Dänemark. (zugesandtes Testprodukt)*
Zugegeben, der skandinavische Kulturraum hält für Außenstehende (oder besser: Unwissende, je nach Blickwinkel) die ein oder andere kulinarische Herausforderung bereit. Ob man nun den isländischen Hákarl (fermentierten Grönlandhai), den ebenfalls von dort stammenden Svið (schwarz angesengten Schafskopf) oder den schwedischen Surströmming als Beispiel nimmt (durch Milchsäuregärung konservierter Hering – bis heute das olfaktorisch Schlimmste, das mir jemals vorgesetzt wurde – und ich habe auch die beiden zuvor genannten isländischen Spezialitäten probiert), die nordischen Länder werden kulinarisch nicht unbedingt von jedermann als erste Adresse wahrgenommen. (Natürlich habe ich das jetzt bewusst polarisierend dargestellt, denn in Wirklichkeit ist auch dort längst eine lebhafte und innovative Spitzengastronomie entstanden, die zu begeistern weiß, aber für eine Skurrilität ist man im hohen Norden eben immer gut.)
Doch es gibt ja auch zum Glück noch andere, typisch nordische Aromen: Dill zum Beispiel oder auch Kaviar – und natürlich Aquavit. Und damit wären wir bei der heutigen Spirituose angelangt, dem Dild Akvavit aus der Radius Distillery im dänischen Städtchen Præstø in Sjælland. Dort stellt man nämlich diesen wirklich außergewöhnlichen Tropfen her. Die Destille wird seit 2016 von den beiden Brennmeistern Kristian und Flemming sowie dem Landbesitzer und Apfelenthusiasten August betrieben. Zu den hergestellten Produkten zählen neben Gin vor allem auch Apfelbrände, Liköre und eben Aquavit (bzw. Akvavit).
Für den Dild Akvavit verwendet man nun eine wirklich spannende und absolut innovative Komposition an „Botanicals“: Zunächst einmal „Baerii Caviar“, was der Kaviar des Sibirischen Störs ist, dann Tasmanischer Bergpfeffer, Dillsamen, frischer Dill und frische Dillspitzen. Abgefüllt wird schließlich mit 45,8% vol. Na, wenn das mal nicht cool ist? Ich muss gestehen, ich habe ja wirklich eine Schwäche für solche ungewöhnlichen Sachen und entsprechend gespannt war ich, was ich wohl von diesem Aquavit zu erwarten hatte.
Tasting Notes:
Aroma: Das Aroma dieses Akquavits ist nicht weniger als bemerkenswert! Tatsächlich bekommt man hier genau das, was einem versprochen wird – und das auf wirklich großartige Art und Weise. Die Nase ist sofort gekennzeichnet von einem Zweiklang aus Dill und Kaviar. Und beide harmonieren einfach perfekt miteinander, nichts verdrängt hier das andere. Der Aquavit selbst bleibt hintergründig, weist minimale Assoziationen von Anis und Tannennadeln auf, die aber vielleicht auch Teil des authentischen Dillcharakters seien können. Salztöne fliegen mit, entfernte Anklänge von Zitrone sind auch zu vernehmen.
Geschmack: Was ein geiler Tropfen! Ich finde den Dild Akvavit wirklich ganz ausgezeichnet, Dill und Kaviar sind auch am Gaumen einfach überzeugend und vollauf charakterisierend. Umami wo man hinschmeckt! Salzig-maritime Noten verbinden sich auch am Gaumen mit dem Dill, als wären sie füreinander gemacht (sind sie hier ja auch irgendwie). Anisanklänge kann ich auch hier nach einiger Zeit herausschmecken.
Abgang: mittellang mit Anis und frisch gehacktem Dillkraut
Auf der Webseite des Herstellers wird dieser Aquavit als passender Begleiter zu einem Heringssandwich empfohlen, was sicherlich absolut zutreffend ist. Und überhaupt ist er mit ziemlicher Gewissheit ein Volltreffer in allerlei herzhaften Drinkideen, z.B. in einer Art nordischen Bloody Mary-Version. Auch in einem (gern auch dreckigen) Martini (für die Mutigen gar mit Heringsmarinade) kann dieses außergewöhnliche Destillat fraglos glänzen, aber ich wollte trotzdem noch ein bisschen weitergehen als das und aus der herzhaften Ecke ein Stück weit ausbrechen. Bei solch besonderen Spirituosen besteht die eigentliche Herausforderung hinter der Bar ja im Grunde darin, die einzigartige Charakteristik nicht zu erschlagen und darüber hinaus passend in einem Drink einzusetzen, wo sie als Komponente ein Gesamtbild erzeugt, das sie noch immer erkennbar macht, aber eben auch mehr ist als die Summe seiner Teile. Und das ist wirklich oft keine leichte Aufgabe. Leider sehe ich sehr oft Rezepte, in denen Spirituosen mit gerade eben jener Zutat kombiniert werden, die selbst ein zentraler Bestandteil ihrer selbst sind. Das ärgert mich manchmal sogar etwas, weil es doch zeigt, dass hier oft ein falsches Verständnis von Aromenkomposition vorliegt: würde ich beispielsweise den Dild Aquavit mit Dill in einem Smash schütteln, so hätte ich vielleicht einen leckeren Cocktail, der mitgeschüttelte Dill würde aber vermutlich die genuinen Dillaromen des Dild Aquavit derart überlagern, dass ich auch schlicht einen anderen, „normalen“ Aquavit dafür hätte nehmen können.
Nein, der Dild Akvavit (ich verwende in diesem Artikel einfach beide Schreibweisen) soll sich behaupten und beweisen können. Und hier bin ich im Grunde bei einem wirklich eher ungewöhnlichen Drink gelandet, nämlich einem Biercocktail. Inspiriert wurde meine Drinkidee vom Good for the Gander, kommt aber doch etwas verändert daher. Neben veränderten Mengenanteilen habe ich vor allem noch eine minimale Prise Salz mit in den Drink gegeben (wirklich nur eine minimale, es reicht, eine winzige Menge zwischen zwei Fingerspitzen ins Rührglas zu geben), das hebt insbesondere die Kaviarnoten auf eine richtig neue Stufe. Der Drink hört auf den Namen Dily
Rezept „Dilly Dally“:
4,5 cl Dild Akvavit (Radius Distillery)
1,5 cl Noilly Prat
1,5 cl St. Germain Holunderblütenlikör
3 cl Brewdog Punk IPA
eine winzige Prise Salz (s.o.)
Zubereitung: Alle Zutaten zunächst ohne Eis in ein Rührglas geben und für ca. 30 Sekunden die Kohlensäure aus dem IPA herausrühren. Dann Eis hinzugeben, kalt rühren und ins vorgekühlte Glas abseihen.
Glas: Martini
Garnitur: frischer Dillzweig
Bezugsquellen: Im Fachhandel oder online