Wer meinen Blog verfolgt, dem dürfte der Name Coquerel etwas sagen. Denn aus der Destillerie Coquerel stammen einige wirklich hervorragende Calvados, die ich vor nicht allzu langer Zeit hier im Blog auch rezensiert und auf Ihr Barpotential hin geprüft habe. Nun habe ich abermals zwei Flaschen aus der Destillerie Coquerel vor mir stehen, auf denen aber zunächst dieser Name gar nicht prominent zu lesen ist. Stattdessen findet sich dort der Titel Normindia. (zugesandte Testprodukte)*
Und das hat einen guten Grund, denn in diesen Flaschen befindet sich kein gereifter, französischer Apfelbrand, sondern Gin. Pierre Martin Neuhaus, der Inhaber der Destillerie Coquerel, bezeichnet sich selbst als einen großen Freund der indischen Kultur. Er selbst bereiste das Land für mehrere Monate und sammelte dort so viele Impressionen, die er auch in seinen Gins der Normindia-Reihe zum Ausdruck bringen möchte. Und tatsächlich ist da auch wieder die Geschichte vom alten Familienrezept aus dem Jahr 1765, in welchem ein französisches Wacholderdestillat beschrieben worden ist. Die Geschichte mit dem alten Familienrezept nötigt mir zwar inzwischen nur noch ein Schmunzeln ab, aber offenbar schlummern in den Kellern dieser Welt eben einfach hunderttausende davon, die auch in Zukunft sicherlich noch fleißig von Herstellern aller Arten von Spirituosen entdeckt werden wollen.
Wie dem auch sei: zunächst legt man die Botanicals für den Normindia Gin zwischen 4 und 12 Tage in Alkohol ein und lässt diese mazerieren. Dann wird auf der kleinsten Kupfer-Pot Still der Brennerei gebrannt und schließlich mit 41,4% vol. abgefüllt. 15 Botanicals finden in der Herstellung Verwendung, wovon allerdings nicht alle verraten werden. Genannt werden Wacholder, Äpfel, Orangen, Koriander, Zimt, Gewürznelken, Ingwer und Lilien. Ich hätte gerne noch einige Informationen zum Ausgangsalkohol in Erfahrung gebracht, konnte hierzu aber leider nichts finden. Ob dieser also von der Brennerei selbst gebrannt oder als Agraralkohol zunächst von extern bezogen wird, kann ich leider nicht sagen.
Neben der klassischen Abfüllung existiert aber auch noch ein fassgelagerter Gin, der Normindia Barrel Aged Gin. Und hier wird es richtig spannend, denn er durfte – naheliegend aber trotzdem super spannend – in ehemaligen Calvadosfässern und neuen Fässern aus französischer Eiche für 6 bis 12 Monate nachreifen. Diese Reserved-Variante kommt mit 44,1% vol. in die Flasche.
Tasting Notes „Normindia Gin“:
Aroma: Sehr interessant! Dieser Gin ist in der Nase tatsächlich sehr filigran und floral – und die erste Assoziation sind reife, würzige Orangenschalen. Erst dahinter schleicht sich der Wacholder ein, der den würzigen Charakter unterstreicht. Ingwer und Nelken treten mit der Zeit hinzu und auch feine Apfelnoten.
Geschmack: Am Gaumen bestätigt sich das Aroma eindrucksvoll: lange habe ich keine so aromatische Orange mehr in einem Gin vernommen (explizite Orangengins mal ausgenommen). Zusammen mit Wacholder und Nelken bekommt man hier wirklich einen sehr schönen, würzig-vielschichtigen Charakter auf die Zunge, mit der Zeit treten feine Noten von Getreide, etwas Ingwer und Äpfel hinzu. Definitiv kein klassischer Vertreter und für London Dry-Puristen eher weniger empfehlenswert, dafür aber sehr spannend für alle, die florale und fruchtige Gins mögen!
Abgang: sehr mild, weich mit Fruchtnoten, Gewürzen und einer Idee Blumenwiese, mittellang bis kurz
Tasting Notes „Normindia Barrel Aged Gin”:
Aroma: Es ist immer wieder äußerst spannend, zu sehen, wie sehr eine Fasslagerung einen Brand verändert. Die Orangennoten haben sich – für mich unerwartet – eher in Richtung einer Zitrone verändert. Sie sind zwar noch da, aber dennoch scheint es, als sei die Schwesterfrucht plötzlich vorgestürmt und winke aufgeregt mit den imaginären Zitronenamen. Hinzu tritt vor allem eine Apfelnote mit leichtem Holzcharakter, man muss sofort an französischen Cidre denken. Auch eine leichte Kuchenteignote ist zugegen, so dass ich unweigerlich an die klassische Zitronenrolle denken muss.
Geschmack: Und da ist er, der Ellenbogen der Orange, mit dem sie bestimmt die Zitrone wieder auf die Plätze verweist. Würzig und ausdrucksstark wie im ungereiften Normindia Gin tritt die Orange wieder in den Vordergrund. Auch sind die Gewürze zu vernehmen, Nelke und hier auch deutlicher der Zimt (wieder mit etwas Kuchenteig). Hinzu treten subtile Fassnoten mit würzigem Apfel, je länger ich den Normindia Barrel Aged Gin im Mund behalte, desto mehr muss ich an einen jungen Calvados denken. Eine klasse Kombination!
Abgang: Vanille, immer noch sehr weich und rund – tatsächlich mit etwas Butter. Mittellang bis lang.
In einem Cocktail habe ich heute zunächst den Normindia Gin eingesetzt. Dabei hat mich ein wenig der Calvadoshintergrund der Brennerei geleitet und so habe ich mich an einem Twist eines weniger bekannten Drinks aus Harry Craddocks „Savoy Cocktail Book“ von 1930 versucht, dem Diki Diki Cocktail, in welchem Calvados, Grapefruitsaft und Swedish Punch miteinander kombiniert werden. Für meinen Diki Diki Gin Gin Cocktail habe ich die Calvadosbasis zum Großteil durch den Normindia Gin ersetzt und noch ein wenig interessante Tiefe durch The Bitter Truth Peach Bitters und einen kleinen Dash Fernet mit eingebracht (ich habe den Nardini Fernet verwendet). Der Drink ist ein typisches Beispiel für Cocktails, die mehr sind als die Summe ihrer Teile. Cheers!
Rezept: “Diki Diki Gin Gin Cocktail”
4,5 cl Normindia Gin
3 cl Grapefruitsaft
2 cl Revolte Swedish Punch
1,5 cl Calvados Coquerel XO
2 Dashes The Bitter Truth Peach Bitters
1 Dash Nardini Fernet
Zubereitung: Alle Zutaten im Shaker kräftig mit Eis schütteln und doppelt ins vorgekühlte Glas abseihen.
Glas: Coupette
Garnitur: keine
Bezugsquellen: Im Fachhandel oder online
*Der Umstand, dass mir diese Produkte zu redaktionellen Zwecken unentgeltlich zur Verfügung gestellt worden sind, bedeutet nicht, dass in irgendeiner Weise Einfluss auf den Artikelinhalt oder meine Bewertung genommen wurde. Vielmehr ist es für mich stets unverrückbare Bedingung, völlig frei und unbeeinflusst rezensieren zu können.