Eine der am vielleicht am meisten unterschätzten Spirituosengattungen ist der Calvados. Bedenkt man, dass es sich hierbei um eine klassische, fassgelagerte und mit strengen Regularien versehene Spirituosengattung handelt (wie z.B. auch Whisk(e)y oder Cognac), dann verwundert es schon ein wenig, wie selten man doch auf Calvados als Cocktailzutat, aber auch als pur genossene Sippingspirituose stößt. Dabei gibt es sie natürlich, die ausgesprochenen Calvadosliebhaber. Und natürlich gibt es auch ausgesprochen gute Calvadoscocktails. (zugesandte Testprodukte)*
Ganz neu ist die Thematik des Calvados hier bei Galumbi – Drinks & More jedoch nicht. Denn vor einiger Zeit habe ich schon einmal am Beispiel des Daron Calvados Pays d’Auge in Grundzügen erklärt, was Calvados eigentlich genau ist. Wer also überhaupt nichts mit dem Begriff anzufangen weiß, dem sei ein Blick in diesen Artikel hier an dieser Stelle empfohlen.
Somit wird es also auch nicht verwundern, dass uns auch heute der Weg einmal mehr in die Normandie führt. Genauer genommen ins Jahr 1937, denn genau in jenem Jahr gründete René Gilbert Senior die Marke Calvados Gilbert, die später unter dem Namen Calvados Coquerel bekannt werden sollte. In Manoir du Coquerel unweit von Mont-Saint-Michel ließ man sich schließlich nieder und stellt seitdem dort Calvados her. Nach wechselnden Eigentümern in den 70er, 80er und frühen 90er Jahren (u.a. gehörte die Marke zwischenzeitlich dem deutschen Unternehmen Asbach und dann dem Spirituosengiganten Diageo) ist man seit 1996 wieder unabhängig als Jean-François Martin das Unternehmen gewissermaßen zurückkaufte. Obwohl durchaus auch Birnen für die Herstellung von Calvados erlaubt sind, beschränkt man sich im Hause Coquerel auf die Herstellung aus verschiedenen Apfelsorten der Normandie. Aus dem daraus gepressten Apfelmost gewinnt man schließlich durch natürlich Fermentation einen Apfelcidre. Daraus wird dann schließlich ein Apfelbrand oder auch Eau-de-Vie de Cidre auf kupfernen Pot Stills gebrannt und in Fässern aus französischer Eiche gereift. Sechs Kilogramm Äpfel werden dabei in etwa für eine Flasche Calvados verarbeitet.
Zunächst möchte ich heute zwei der Standardqualitäten aus der Calvados Coquerel-Range verkosten. Zum einen den Calvados Coquerel VSOP und den Calvados Coquerel XO. Für den Calvados Coquerel VSOP hat der Hersteller einen Blend aus mindestens vier Jahre gereiften Bränden vermählt und abgefüllt. Der XO hingegen wartet mit einem Blend aus Bränden mit einem Alter zwischen sechs und zehn Jahren auf. Beide werden mit 40% vol. abgefüllt.
Tasting Notes Calvados Coquerel VSOP:
Aroma: Oh ja, reife Äpfel, Apfelstiele und –schalen, der Apfel scheint zum Greifen nah, so immersiv wirkt das Aroma. Apfelkompott, Vanille, subtile Nelke, Früchtebrot, auch unbestimmte, kräutrige Assoziationen (vielleicht Heidekraut?) schwingen mit. Mit der Zeit kristallisiert sich auch eine schöne Honigsüße und etwas Ingwer heraus.
Geschmack: am Gaumen deutlich würziger als in der Nase, Apfel, Nelke, Eichenholz, Bratapfelassoziationen, Anklänge von Birnen, teilweise etwas ungestüm, der Alkohol ist spürbar, aber gut eingebunden.
Abgang: relativ trocken mit Apfelholz und Bitternoten, mittellang
Tasting Notes Calvados Coquerel XO:
Aroma: Auch hier ist natürlich ein satter Apfel zugegen, allerdings wirkt dieser nicht mehr ganz so vordergründig und wird stattdessen von einem spürbaren Mehr an Eiche begleitet. Dadurch fällt er insgesamt etwas voluminöser aus, die Vanille zeigt sich präsenter, würziger und weniger filigran, etwas Piment gesellt sich zur Nelke, Heidekraut bleibt erkennbar. Insgesamt kommt er etwas gesetzter daher, weniger impulsiv, dafür aber komplexer.
Geschmack: weicher und ausgewogener zeigt sich der XO am Gaumen, die Äpfel weisen hier noch deutlicher einen Kompottcharakter auf mit Gewürzen, Vanille, Haselnüssen und deutlich mehr Eichenholz. Der Alkohol fällt milder aus. Eine leichte Zitrusnote ist ebenfalls zugegen. Zudem kommt mit der Zeit etwas Milchschokolade hinzu.
Abgang: Apfelkompott, Honig, Eiche, eine Nuance Kakao, interessanterweise aber dennoch weniger trocken als der VSOP, obwohl ich das Gegenteil erwartet habe
Tja, letztlich sind es zwei verschiedene Drinks geworden, für die ich mich im Zuge dieses Artikels entschieden habe. Beide stammen nicht von mir, sondern im Wesentlichen der Reihe mehr (im einen Fall) oder weniger (im anderen) bekannter Calvadoscocktails. Der eine ist ein Klassiker, der im Grunde keine weitere Vorstellung braucht: Der Calvados Sour. Wer sich nun fragt, ob ich heute allen Ernstes hier einen einfachen Sour vorstellen will, dem sei zumindest versichert, dass der Calvados Sour tatsächlich ein echter Klassiker unter den Calvados-Cocktails ist. Dennoch weiche ich beim persönlich von mir favorisierten Calvados Sour minimal von der Basisformel aus Zitronensaft, Zucker und eben Calvados ab. Ich gebe gerne noch etwas Chartreuse Jaune mit in den Shaker, zudem manchmal noch einen Spritzer Orange Bitters (klingt vielleicht komisch, funktioniert aber sehr gut!). Zudem möchte ich den sogenannten Princess Pride Cocktail anführen, der tatsächlich auf Victor, Trader Vic, Bergeron zurückgeht. Ich schreibe deshalb tatsächlich, weil es sich schlicht um keinen Tiki-Drink handelt. Dass Trader Vic nämlich auch solche Drinks kreiert hat, wird gerne vergessen. Der Princess Pride besteht zu zwei Teilen aus Calvados (hier habe ich aufgrund der reiferen Noten zum Coquerel XO gegriffen), zu einem Teil aus süßem Wermut und zu einem Teil aus Dubonnet Rouge. Das Ergebnis ist wirklich toll, ich kann es nur empfehlen!
Rezept „Calvados Sour“ (meine Version):
5,5 cl Calvados Coquerel VSOP
1 cl Chartreuse Jaune
3 cl Zitronensaft
1,5 cl Zuckersirup
1 Dash Orange Bitters (optional)
Zubereitung: Alle Zutaten kräftig auf Eis schütteln und auf frisches Eis ins vorgekühlte Glas geben.
Glas: Tumbler
Garnitur: keine
***
Rezept „Princess Pride“ (nach Trader Vic):
6 cl Calvados Coquerel XO
3 cl Carpano Antica Formula
3 cl Dubonnet Rouge
Zubereitung: Trotz der “all alcohol”-Formel wird dieser Drink kräftig auf Eis geschüttelt und dann ins vorgekühlte Glas abgeseiht. Mit dem Öl einer Orangenzeste besprühen.
Glas: Coupette
Garnitur: Orangenzeste
Bezugsquellen: Im Fachhandel oder online
*Der Umstand, dass mir diese Produkte zu redaktionellen Zwecken unentgeltlich zur Verfügung gestellt worden sind, bedeutet nicht, dass in irgendeiner Weise Einfluss auf den Artikelinhalt oder meine Bewertung genommen wurde. Vielmehr ist es für mich stets unverrückbare Bedingung, völlig frei und unbeeinflusst rezensieren zu können.
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