Es ist noch nicht so lange her, da sorgte die Ehrung als „bester kontinentaleuropäischer Whisky“ bei der „International Wine and Spirits Competition“ abermals für einiges Aufsehen, denn der Preisträger war eigentlich ein Korn (und das nicht zum ersten Mal, bereits 2010 gewann – nach meinem Kenntnisstand – erstmalig ein Korn diesen Preis). Genau genommen handelte es sich dabei um den Cigar Special Cuvee Korn aus dem Hause Sasse. Doch wie kann es eigentlich sein, dass ein Korn aus dem Münsterland einen Preis als bester Whisky abräumt? Nun, im Grunde ist die Frage sehr leicht zu beantworten: er ist eben schlicht ein Whisky. (zugesandtes Testprodukt)*
Klar, Korn kann aus verschiedenen Getreiden hergestellt werden (Weizen, Gerste, Hafer, Roggen und sogar Buchweizen sind erlaubt) und muss mindestens 32 Prozent aufweisen (bzw. mindestens 37,5% vol., dann darf er sich Kornbrand nennen; darunter fallen auch die etablierten Doppelkorn mit 38% vol.). Eine Lagerung ist ebenfalls natürlich erlaubt. Und wenn hier – grob gesagt – eben ein Alkoholgehalt von mindestens 40% vol. vorliegt und der Korn länger als drei Jahre gereift wurde, dann hat man eben einen Whisky. Und das weiß man im Hause Sasse natürlich sehr wohl.
Heute geht es aber gar nicht um den oben erwähnten Cigar Special Cuvee, sondern um eine – wie ich finde – noch viel interessantere Flasche, nämlich den Lagerkorn 12 mit dem Zusatz „Die wiedergeborene Edition“. Der Begriff Lagerkorn ist inzwischen eine geschützte Marke des Hauses Sasse, ein Umstand, der natürlich auch den Stolz mit transportiert, den man verbunden mit den Produkten aus eben jener Reihe empfindet. Der Lagerkorn 12 basiert auf einer altägyptischen Getreideart namens Emmer. Das ist natürlich kein Zufall, sondern das Ergebnis eines gezielten Suchprozesses nach einem sehr besonderen Ausgangsgetreide – man wollte hier schlicht einen so ursprünglichen Geschmack wie möglich in den Blick nehmen. Bei einem Getreide, das bereits vor über 10.000 Jahren kultiviert wurde, kann man wohl den Begriff „ursprünglich“ mit Fug und Recht verwenden. Wer sich nun fragt, wie das mit den oben aufgezählten, rechtlich erlaubten Getreidearten zusammengeht, dem sei an dieser Stelle gesagt, dass es sich bei Emmer um ein Getreide aus der Gattung Weizen handelt (wie auch ich zunächst in Erfahrung bringen musste). Die Getreidemaische wird dann auf der hauseigenen CC6 Pot Still gebrannt. Daneben existiert auch noch eine kupferne Pot Still aus dem 19. Jahrhundert, die von der Kupferschmiede Becker hergestellt wurde und daher vom Haus Sasse als „Genialer Becker“ bezeichnet wird – auf dieser wird auch Lagerkorn gebrannt, aber eben nicht der hier zugrunde liegende. Nach Angaben des Herstellers garantieren die Brände der CC6 Still besondere Kraft und Wucht im Geschmack. Besonders hervorzuheben ist hier sicherlich noch der Umstand, dass Emmer als Getreide auch für Brenner inzwischen eine Art Trendgetreide geworden ist. Vor mehr als 12 Jahren, als der Lagerkorn gebrannt wurde (er reifte für mindestens 12 Jahre in American-Oak-Barriques), war dies alles andere als absehbar.
Tasting Notes „Lagerkorn 12 – die wiedergeborene Edition“:
Aroma: „Ein Korn? Niemals, das ist ein Whisky!“ so oder so ähnlich dürfte wohl die Reaktion bei einem (Blind) Tasting bei fast jedem aussehen. Da bin ich mir ziemlich sicher. Gut, wie nun oben geschildert, ist das allein schon definitorisch im Grunde eine unsinnige Aussage, denn dieser Korn ist ja nunmal ein Whisky, aber dennoch: Was hier im Glas seinen Duft verströmt, hat auf den ersten Eindruck nichts mit dem zu tun, was landläufig von einem Korn erwartet wird. Eher würde ich diesen Tropfen hier in der Speyside oder in den Highlands verorten. Ein satter Honig, gepaart mit Mandeln, leicht gerösteten Haselnüssen, dazu ein Strauß Wiesenkräuter und eine schöne Vanille sowie etwas Eichenholz. Mit der Zeit finde ich auch zunehmend helle Früchte wie Mirabellen, gekochte Quitten und Trockenaprikosen. Da ist zudem eine gewisse, schwer zu benennende Note, die immer wieder auftaucht, sie erinnert ein wenig an süßlichen Klebstoff, aber weist nicht dessen Penetranz auf. Das mag vielleicht wenig ansprechend klingen, ist im Gegenteil aber sehr angenehm und gut eingebunden ins Gesamtaroma – und ist nicht untypisch für bourbonfassgereifte Brände. Das ist ein sehr, sehr schönes Aroma! Hier könnte ich stundenlang riechen.
Geschmack: sehr weich umschmeichelt der Lagerkorn 12 den Gaumen. Der Alkohol ist zwar durchaus auf der Zunge spürbar, bringt aber von Anfang an viele, schöne Aromen mit sich. Auch hier finde ich wieder gebrannt Nüsse, Honig und Vanille. Auch sind die Wiesenkräuter wieder mit von der Partie. Überhaupt lässt sich sagen, dass beim Lagerkorn 12 Aroma und Geschmack recht nah beieinanderliegen und man hier keine große Überraschung erlebt, wie es manchmal ja der Fall ist (positiv oder negativ). Die Fruchttöne fallen am Gaumen allerdings dann doch etwas zurückhaltender aus, machen dafür aber mehr Platz für Eichenholz und Gewürze – das Bourbonfass ist hier sehr klar erkennbar, je länger ich den Lagerkorn im Mund hin- und herlaufen lasse, desto mehr muss ich an amerikanischen Whiskey denken.
Abgang: lang, mit Fassnoten, Trockenobst und Honig
Der Lagerkorn 12 ist als Spirituose für den Purgenuss ein ganz fantastischer Tropfen. Mit dieser Feststellung könnte ich im Grunde diesen Artikel dann auch beenden. Aber natürlich tue ich das nicht, denn – wie in der Vergangenheit schon oft betont – auch sehr hochwertige Brände können sehr wohl in einem Drink eine hervorragende Figur abgeben! Wenn sie denn nicht völlig überlagert und dadurch beliebig gemacht werden (weshalb ich in diesen Fällen fast immer davon absehe, Drinks mit Fruchtsäften zu mixen). Im heutigen Drink namens „Am I Emmer?“ habe ich dem Sasse Lagerkorn 12 mit dem Pierre Ferrand Ambré Cognac noch einen relativ fruchtigen Cognac mit schönen Aprikosennoten zur Seite gestellt. Die beiden Basisspirituosen werden dann mit den fruchtigen Bitternoten des Revolte Dry Curacao und reichlich Kräutern der beiden Franzosen D.O.M. Benedictine und Chartreuse Jaune vermählt. Zum Abschluss kommen zwei Spritzer The Bitter Truth Jerry Thomas Own Decanter Bitters hinzu – sowie eine kleine Prise Salz (und damit meine ich wirklich eine kleine Prise! Nur etwas Salz zwischen den Fingerspitzen in den Drink rieseln lassen, das genügt bereits! Der Drink sollte keinesfalls wirklich salzig schmecken!).
Rezept „Am I Emmer?“
3,5 cl Sasse Lagerkorn 12
2 cl Pierre Ferrand Cognac Ambre
1 cl D.O.M. Benedictine
0,5 cl Chartreuse Jaune
0,75 cl Revolte Dry Curacao
2 Dashes The Bitter Truth Jerry Thomas Own Decanter Bitters
1 kleine Prise Salz
Zubereitung: Der Drink wird im Glas selbst gebaut. Dazu einfach alle Zutaten auf massive Eiswürfel ins Glas geben und umrühren. Schließlich mit dem Öl der Zitronenzeste besprühen.
Glas: Tumbler
Garnitur: Zitronenzeste
Bezugsquellen: Im Fachhandel oder online
*Der Umstand, dass mir dieses Produkt zu redaktionellen Zwecken unentgeltlich zur Verfügung gestellt worden ist, bedeutet nicht, dass in irgendeiner Weise Einfluss auf den Artikelinhalt oder meine Bewertung genommen wurde. Vielmehr ist es für mich stets unverrückbare Bedingung, völlig frei und unbeeinflusst rezensieren zu können.
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