Hypothetische Gedankenspiele werden oft dann herangezogen, wenn man damit bestimmte Prinzipien verdeutlichen will. Das ist nicht nur in der Wissenschaft oder philosophischen Grundlagenforschung so, sondern natürlich auch im Alltag. Gerne werden sie auch benutzt, um bestimmte persönliche Gefühle zum Ausdruck zu bringen – wer kennt z.B. nicht die Frage, was er mit auf eine einsame Insel mitnehmen würde. Und auch ich möchte heute zu solch einem Gedankenspiel greifen und damit die Aussage verbinden: „Müsste ich mich sofort für einen Rumstil entscheiden und dürfte fortan keine anderen Rums mehr trinken, ich würde mich für Rhum Agricole entscheiden“. (zugesandtes Testprodukt)*
Gut, der spitzfindige R(h)umkenner könnte jetzt noch fragen, welchen Rhum Agricole ich denn genau meine und dass es hier ja Unterschiede gebe usw., aber ganz so eng wollte ich meine einleitenden Worte gar nicht verstanden wissen. Was ich schlicht sagen wollte, ist, dass ich Rhum Agricoles wirklich über alles schätze und besonders gereifte Varianten (nicht nur für mich) eine absolut fantastische Sache sind. Was Rhum Agricole überhaupt ist und ein klein wenig über den Hintergrund habe ich in meinem Artikel über den Clément Rhum Vieux Agricole VSOP dargelegt und möchte an dieser Stelle auch auf diesen verweisen. Um einen Clément Rhum Agricole geht es jedoch auch heute – und zwar einen sehr interessanten, nämlich den Clément 10 Years Old.
Zehn Jahre Reifedauer – und dank des AMC/AOC-Siegels dürfen wir hier auch sicher sein, dass es wirklich ein zehn Jahre alter Rhum ist (nicht etwa zehn Pseudojahre wie beispielsweise die ominösen 23 Pseudojahre eines Zacapas) – sind natürlich schon eine Ansage. Insbesondere wenn man bedenkt, dass die Fassreifung in der Karibik stattgefunden hat, in einem gänzlich anderen Klima als es beispielsweise bei Whisky aus Schottland der Fall ist. Insofern muss man sich auch ein Stück weit von den eigenen Gewohnheiten bezüglich nomineller Altersangaben lösen, sollten diese vor allem durch das Whiskysegment geprägt sein. Zehn karibische Jahre sind quasi mehr als zehn schottische Jahre. In einer Touristikbroschüre wäre das sicherlich ein befremdlicher Satz, aber zumindest wenn es um den Fasseinfluss auf Spirituosen geht, kann man das so stehen lassen.
Die Reifung erfolgte in einer Mischung aus frischen Eichenfässern (deren Effekt auf den aus frischem Zuckerrohrsaft hergestellten Rhum umso größer sein dürfte) und bereits gebrauchten, erneut ausgebrannten Eichenfässern. Schließlich wird mit 42% vol. abgefüllt. Preislich liegt der zehnjährige Clément bei ungefähr 60 Euro. Wie schmeckt nun aber dieser Rhum und wie machen sich die Fässer hier bemerkbar? Zeit für die Tasting Notes!
Tasting Notes:
Aroma: Einmal mehr bin ich geneigt, die Beschreibung eines Spirituosenaromas mit dem Wort „Wow!“ zu beginnen. Der zehnjährige Clément zeigt sich mit einer intensiv aromatischen und verführerischen Nase direkt von seiner betörenden Seite. Es verbinden sich ein würziger Honigduft mit Eichenholz, geröstetem Kakao (und auch etwas Kaffee), Orangenmarmelade und Assoziationen von Trockenfrüchten. Tatsächlich findet sich im Hintergrund ein minimaler Rauch (kaum spürbar und überhaupt nicht vordergründig, aber eben doch da) und auch etwas Leder.
Geschmack: Würziges Eichenholz mit einer feinen, charakteristischen Bittere, Vanille, gebrannte Mandeln und Nüsse, ein minimaler Rauch (auch hier eher Assoziationen), dazu einige helle Früchte wie Mirabellen oder Nektarinen und Zimt. Reif, vielschichtig und wunderbar!
Abgang: ein sehr langer Abgang mit Gewürzen von den Eichenfässern, dazu der herrliche, leicht holzige Einschlag, der viele Rhum Agricoles auszeichnet und wieder etwas Mirabelle.
Ein so schöner Rhum ist natürlich in erster Linie eine Sipping-Spirituose, für die man sich Zeit nehmen kann und der man einen besonderen Moment zugestehen sollte. Dennoch bietet er natürlich auch das Zeug zu einem wahrhaft wundervollen Cocktail. Und genau einen solchen möchte ich hier vorstellen. Es handelt sich um eine Old Fashioned-Variante, für die ich etwas Feigensirup hergestellt habe (man könnte auch sagen, es handelt sich um eine New Fashioned-Variante). Und obwohl der Clément 10 Years Old an sich bereits perfekt ist, wollte ich eine zusätzliche geschmackliche Dimension mit einbringen und habe einen kleinen Teil des Rhums noch zusätzlich für 24 Stunden mit Maronen infundiert. Das Zusammenspiel ist einfach herrlich und um es nachvollziehen zu können, führt kein Weg am Probieren dieses Drinks vorbei. Achja, den Drink habe ich „Ye Olde Rhum Chest“ getauft. Zum einen eine Anspielung auf die Chestnut-Infusion, zum anderen auf den Old Fashioned. Und es klingt so schön nach Piratentaverne. Die gehen immer gut mit R(hum).
Rezept „Ye Olde Rhum Chest“:
3,5 cl Clément 10 Years Old
2,5 cl mit Maronen infundierter Clément 10 Years Old (s.u.)
2 Barlöffel Feigensirup (s.u.)
1 Dash Fee Brothers Whiskey Barrel Aged Bitters
mit Maronen infundierter Clément 10 Years Old: Da ich für zwei Drinks kalkuliert habe, habe ich ca. 6cl Clément 10 Years Old infundiert (ein kleiner Teil wird von den Maronen aufgesogen). Hierzu habe ich vier geröstete und erkaltete Maronen geviertelt und im Rhum infundieren lassen. Nach 24 Stunden schließlich filtern.
Feigensirup: 250 ml Wasser und 200 g Zucker in einer Pfanne bei mittlerer Hitze zum Köcheln bringen und ca. 10 Minuten einkochen. Schließlich 4 frische Feigen vierteln und vorsichtig in den köchelnden Sirup geben. Für 2-3 Minuten köcheln lassen (nicht zu lange, sonst zerfallen sie – was im Zweifel nicht schlimm ist, später aber mehr Arbeit beim Filtern macht) und schließlich den Sirup vom Herd nehmen. Feigen im Sirup belassen und für 24 Stunden in einem verschließbaren Behälter ziehen lassen. Schließlich Feigen herausnehmen (ggf. herumschwebende Feigenpartikel durch ein Feinsieb oder Filtertuch herausfiltern).
Zubereitung: Der Drink wird im Glas gebaut. Einfach alle Zutaten auf einige massive Eiswürfel geben, kurz verrühren, fertig.
Glas: Tumbler
Garnitur: ein Stückchen frisch aufgeschnittene Feige (ggf. auch einige Maronen)
Bezugsquellen: Im Fachhandel oder online
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