Ich kann mich noch lebhaft an die Zeit erinnern, als ich beim Durchstöbern von Cocktailbüchern und Rezeptsammlungen vereinzelt auf den Begriff „Falernum“ stieß. Mein Horizont war damals kaum mit dem heutigen vergleichbar und irgendwie muss ich diese Zutat wohl einfach als „irgendsowas total Spezielles“ abgetan und quasi einfach überlesen haben. Jedenfalls ist mir noch das Gefühl in der Erinnerung präsent, wie es war, es dann doch endlich mal zu recherchieren. „Karibischer Gewürzlikör oder Gewürzsirup“ fand ich dann heraus – und wusste nicht, wo ich so etwas herbekommen sollte. (zugesandte Testprodukte)*
Schließlich bin ich dann beim Velvet Falernum gelandet, einem Falernum, dass wohl auch heute noch den meisten als klassische Marke zuerst einfallen dürfte (auch durchaus ein solides Produkt, keine Frage). Inwiefern sich aber das Angebot inzwischen entwickelt hat, sieht man mitunter an der Zahl neu erscheinender Falernums (in der Vergangenheit habe ich z.B. das Amber Falernum und auch das Revolte Falernum etwas mehr unter die Lupe genommen). Heute habe ich hingegen gleich zwei unterschiedliche Falernums vor mir stehen, die darauf warten, auf Herz und Nieren geprüft zu werden. Und wie könnte das besser gelingen als in einem Cocktail? Aber der Reihe nach!
Die beiden Falernums hören auf den Namen „Old Judge Falernum“ und stammen aus Österreich. Wer sich jetzt fragt, was denn die „große Seefahrernation“ Österreich mit einer klassischen karibischen Cocktailzutat zu tun hat, der kommt nicht um die Hintergrundgeschichte um den Macher und Herausgeber jener Old Judge Falernums herum: Markus Altrichter. Markus Altrichter arbeitete nämlich als Bartender auf der MS Deutschland und bereiste so weite Teile der Welt. Unter anderem natürlich auch die Karibik und dort ist insbesondere die Insel Barbados von Bedeutung. Auf Barbados rühmt man sich nicht nur der (vermeintlichen) Erfindung des Rums (in diesem Zusammenhang habe ich auch schon über die älteste sich noch in Betrieb befindende Destille Mount Gay berichtet), Barbados ist auch die Heimat des Corn ‘n‘ Oil, des vielleicht ikonischsten Falernumcocktails der Welt.
Und eben jenen trank Markus Altrichter auf Landgängen besonders gern, vor allem in der Bar von James Crahill. Nach gemeinsamer Fachsimpelei und einigen Corn ‘n‘ Oils freundeten sich Altrichter und Crahill schließlich an und auf einem Familienbarbecue der Familie Crahill schaffte es Markus Altrichter dann, an ein Falernum-Geheimrezept (oder die Grundzüge eines solchen) zu gelangen. Zurück in Österreich begann Markus Altrichter dann mit der Eigenproduktion, die zunächst jedoch nur für den privaten Gebrauch bestimmt war. Ab 2016 gab es dann die Möglichkeit, via Facebook an einige der in geringer Zahl abgefüllten Flaschen zu gelangen (damals noch mit anderer Rezeptur), bis schließlich mit eigener Webseite und etwas größer angelegtem Vertrieb das Old Judge Falernum da ankam, wo es heute ist.
Und das bedeutet vor allem zunächst einmal, dass es zwei verschiedene Old Judge Falernums gibt: das klassische Old Judge Falernum und das Old Judge Special Reserve Falernum. Auffälligster Unterschied beider Abfüllungen ist (neben dem leicht unterschiedlich designten Etikett und der Flaschentönung) der Alkoholgehalt. Während das „klassische“ Old Judge Falernum mit lediglich 5% vol. aufwartet, bietet das Old Judge Special Reserve Falernum 17% vol.
Es wird also schnell klar, dass sich allein schon auf Basis des Alkoholgehalts auch unterschiedliche Einsatzmöglichkeiten in Cocktails anbieten, je nachdem, was man gerne erreichen möchte. Aber natürlich unterscheidet nicht einfach nur der Alkoholgehalt beide Falernums voneinander: Während das alkoholisch etwas schwächere Old Judge Falernum aus zwei verschiedenen Barbados-Rums, Zucker und Hochquellwasser aus Österreich, indonesischem Ingwer, Gewürznelken aus Mauritius, Zimt aus Ägypten, Piment aus Jamaika, Limetten aus Brasilien sowie Vanille und Mandelextrakt besteht, setzt das Old Judge Special Reserve Falernum zusätzlich noch auf Ananas und Overproof Jamaica Rum.
Und auch wenn wohl die wenigsten ein Falernum zum Purgenuss verwenden, will ich auch diesmal zunächst beide Falernums einer Verkostung unterziehen.
Tasting Notes „Old Judge Falernum“:
Aroma: In der Nase vernimmt man ein schönes Potpourri von Gewürzen, ein honigartiger, süßlicher Duft steigt zudem auf. Nelken, Zimt und Piment sind besonders präsent, aber auch etwas Vanille und ein Hauch Mandel sind zugegen. Der Rum bleibt eher subtil im Hintergrund, ist aber mit einer Konzentration ebenfalls erkennbar.
Geschmack: Ok, hier muss man natürlich wissen, dass man einen Likörsirup verkostet. Zunächst einmal dominiert also entsprechend eine intensive Süße die Geschmackswahrnehmung. Zu den in der Nase aufgeführten Gewürztönen kommt hier noch eine gewisse Frische durch Ingwer und Limette hinzu, was ein sehr ansprechendes Geschmacksbild erzeugt.
Abgang: lang, süß und ölig mit anhaltenden Gewürztönen
Tasting Notes “Old Judge Special Reserve Falernum”:
Aroma: Eine grundsätzliche Ähnlichkeit zum Old Judge Falernum ist dem Old Judge Special Reserve Falernum erwartungsgemäß nicht abzusprechen. Das Aroma ist hier im Grunde genommen sehr ehrlich, denn es verrät sowohl die Zugabe von Overproof-Rum, der zwar nicht in seinen Feinheiten differenzierbar ist, sehr wohl aber das Aromenbild entscheidend prägt. Gleiches gilt für eine feine und natürliche Ananasnote.
Geschmack: Der stärkere Alkoholgehalt ist sofort bemerkbar, allerdings nicht durch eine irgendwie geartete Schärfe, sondern eine etwas andere Betonung der zentralen Aromen. Das Old Judge Special Reserve Falernum wirkt etwas reifer und auch weniger süß (es ist nichtsdestotrotz sehr süß, eben ein Falernum), die Ananas ist dabei sehr gelungen eingebunden und charakterisiert diese Variante unverkennbar.
Abgang: lang, ölig, mit der Frische von Ananas und Gewürzen
Tja, was macht man nun mit diesen Falernums. Natürlich hätte ich einfach jeweils einen Corn ‘n‘ Oil mixen können (und das werde ich auch mit Sicherheit nochmal tun), aber da ich diesen hier im Blog schon vorgestellt habe, wollte ich etwas anderes machen. Die Wahl fiel schließlich auf zwei verschiedene Tiki-Cocktails: den Spring Street Swizzle Punch und den Montegomatica. Beide Drinks sind ganz hervorragende Falernumcocktails, die sich zudem deutlich voneinander unterscheiden.
Der Spring Street Swizzle Punch ist ein interessanter Swizzle-Drink, den ich durch einen Artikel des Imbibe-Magazines kennengelernt habe. Er stammt aus dem Warehouse in Charleston und kombiniert verschiedene Säfte mit einem Vanille-Gewürzsirup, Falernum und Rum. Ich bin etwas vom Original abgewichen und habe – ursprünglich aus Zeitmangel – den Vanille-Gewürzsirup durch Galliano Vanilla ersetzt, fand das Ergebnis aber so gut, dass ich diese Variante hier vorstellen möchte. Da die Ananastöne im Old Judge Special Reserve Falernum im Angesicht von Ananas- und Orangensaft untergehen würden, habe ich hier das reguläre OId Judge Falernum verwendet. Als Basisrum habe ich zum Plantation O.F.T.D. Overproof und zum Plantation Three Stars gegriffen.
Rezept „Spring Street Swizzle Punch“ (leicht abgewandelte Variante):
2,5 cl Plantation O.F.T.D. Overproof
2 cl Plantation Three Stars
1,5 cl Old Judge Falernum
1 cl Galliano Vanilla
2,5 cl Orangensaft
2,5 cl Ananassaft
0,5 cl Limettensaft
0,5 cl Zitronensaft
6 Dashes Rhubarb Bitters (Angostura Bitters funktionieren im Notfall auch)
Zubereitung: Alle Zutaten bis auf die Bitters auf gestoßenes Eis im Glas geben und mit einem Swizzlestick „swizzeln“ bis das Glas von außen beschlägt. Mit weiterem gestoßenem Eis auffüllen und Bitters obenauf geben.
Glas: Tiki-Mug
Garnitur: gedörrtes Orangenrad und eingelegte Kirschen
Der Montegomatica wurde hingegen von Adam Bryan in der texanischen Hauptstadt Austin erfunden und setzt auf eine deutlich andere Karte als der Spring Street Swizzle Punch. Zwar ist auch dieser Tiki-Drink ein Rumcocktail (Überraschung!), aber durch die Zugabe von Fernet und deutlich weniger Saft erhält man hier ein ziemlich anders gelagertes Geschmackserlebnis. Und obwohl ich Fernet (auch pur) wirklich mag, war mir der Fernetanteil hier ein wenig zu hoch – er überlagerte schlicht die anderen Aromen. Daher habe ich den Fernetanteil etwas heruntergefahren und dafür dem Old Judge Special Reserve Falernum mehr Raum überlassen. Eine gute Entscheidung!
Rezept „Montegomatica“ (leicht abgewandelte Variante):
4,5 cl J. Wray & Nephew White Overproof Rum
1,5 cl Luxardo Fernet
3,5 cl Old Judge Special Reserve Falernum
3 cl Limettensaft
Zubereitung: Alle Zutaten kräftig auf Eis schütteln und ins mit frischen Eiswürfeln gefüllte Glas abseihen.
Glas: Tiki-Mug oder Highball
Garnitur: Minzzweig und gedörrtes Limettenrad
In beiden Cocktails schlagen sich die Old Judge Falernums sehr gut – eine wirklich schöne Bereicherung für die Barwelt, die Markus Altrichter uns da bietet. Klare Kaufempfehlung (der Flaschenpreis liegt bei ca. 25€)!
Bezugsquellen: Im Fachhandel oder online.
*Der Umstand, dass mir diese Produkte zu redaktionellen Zwecken unentgeltlich zur Verfügung gestellt worden sind, bedeutet nicht, dass in irgendeiner Weise Einfluss auf den Artikelinhalt oder meine Bewertung genommen wurde. Vielmehr ist es für mich stets unverrückbare Bedingung, völlig frei und unbeeinflusst rezensieren zu können.
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