Als ich vor etwa zweieinhalb Jahren hier im Blog einen Artikel über den Singapore Sling veröffentlicht habe, hatte ich in diesem Zusammenhang auch ein wenig über den Namen jenes weltberühmten Cocktails ausgeholt. Allerdings habe ich das Ganze damals eher knapp gehalten und lediglich darauf hingewiesen, dass dieser Drink – obwohl aus Singapur stammend – in seiner ursprünglichen Form wohl nicht viel mit dem heutigen Rezept gemein hatte. Nachdem ich nun aber kürzlich einen exzellenten Twist eines Singapore Slings getrunken habe und einmal mehr über den Drink nachdachte, möchte ich heute doch noch ein wenig dazu ergänzen – und zwei sehr interessante Rezepte vorstellen.
Ein Sling ist im Grunde eine sehr alte Bezeichnung für Mischgetränke, die sich bis in das 17. Jahrhundert zurückverfolgen lässt. Und wie ich in meinem Artikel über den Bittered Sling anmerkte, spielte der Sling als Mischung aus einer Spirituose, Zucker und Wasser auch bei der Suche nach den Ursprüngen des Cocktailbegriffs eine zentrale Rolle. Denn die New Yorker Zeitung „The Balance, and Columbian Repository“ berichtete im Jahr 1806 im Zuge einer Wahlkampfveranstaltung, bei der „Cock-tails“ gereicht wurden, über die Beschaffenheit dieser neuen Getränke humorvoll aufklärend:
„Cock-tail, then, is a stimulating liquor, composed of spirits of any kind, sugar, water, and bitters – it is vulgarly called a bittered sling, and is supposed to be an excellent electioneering potion inasmuch as it renders the heart stout and bold, at the same time that it fuddles the head. […] a person having swallowed a glass of it, is ready to swallow any thing else.“ (1806)
(„Ein Cock-tail ist ein stimulierendes Getränk aus Spirituosen aller Art, Zucker, Wasser und Bitters, wird gemeinhin auch „Bittered Sling“ genannt und soll einen ausgezeichneten Wahlkampftrank darstellen, indem er beherzt und kühn macht und zugleich den Kopf benebelt. […] Wer davon ein Glas getrunken hat, ist bereit, auch alles andere zu schlucken.“ – 1806)
Ein mit Bitters versetzter Sling ist also im Grunde in etwa das, was wir uns heute unter einem Old Fashioned vorstellen bzw. – wenn wir von Whiskey als Basis ausgehen – was sich zu jener Zeit in den USA eben als Cocktail bzw. Whiskey Cocktail verbreitete.
Der Singapore Sling ist nun weit entfernt von einem Old Fashioned, keine Frage. Doch wie der US-amerikanische Cocktailhistoriker David Wondrich durch die Recherche alter Zeitungen herausfand, war Singapur als ehemalige britische Kronkolonie um die Wende des 19. zum 20. Jahrhundert vor allem für seine „Straits Slings“ berühmt bis berüchtigt (die Qualität wurde in besagten Zeitungen meist als weniger gut rezipiert – der Name „Straits“ leitet sich übrigens von den „Straits Settlements“ ab, einer Sammlungsbezeichnung für britische Kolonien an der Straße von Malakka).
Ein Straits Sling unterschied sich wahrscheinlich meist vom Singapore Sling durch die Verwendung eines höheren Anteils Gin, Zitronen- statt Limettensaft, Cherry Brandy statt dem meist im Singapore Sling eingesetzten Kirschlikör (eine im Englischen nicht einheitlich verwendete Bezeichnung; hierzulande würde man Kirschwasser oder Kirsch-Eau-de-Vie sagen), der Zugabe von Orange Bitters, dem gänzlichen Fehlen von Ananassaft und der Zugabe von Sodawasser. (Übrigens erinnert diese Zutatenliste nicht ganz zufällig an den Smuggler’s Cove Straits Sling.)
Wie viele unterschiedliche Varianten und Rezepturen jener Straits Slings es gab, ist heute definitiv nicht mehr nachvollziehbar. Ebenfalls ist es nicht ganz klar, wie man sie servierte. Mit Blick auf den Singapore Sling liegt die Verwendung eines Longdrink- bzw. Highball-Glases nahe. Orientiert man sich hingegen am ursprünglichen Sling, so mag man vielleicht eher zu einem größeren Tumbler (einem D.O.F.-Tumbler) greifen. Ich habe für meinen Straits Sling heute einen solchen Tumbler gewählt, ein Richtig oder Falsch gibt es hier aber nicht wirklich.
Der Singapore Sling-Twist, von dem ich eingangs sprach und der mich einmal mehr auf diese Thematik stieß, setzte übrigens Fernet statt Benedictine ein, was mir ganz ausgezeichnet gefallen hat und mich den Drink nachmachen ließ. Hier habe ich auch frischen Granatapfelsaft anstelle von Grenadine benutzt und auch noch einen Hauch Ingwersirup sowie einen Dash Bittermens Hellfire Habanero Shrub beigemischt. Da der Drink so einfach noch viel würziger und auch etwas bitterer daher kommt, nenne ich die Variante der Einfachheit halber einen Singapore Spiced Sling.
Rezept „Straits Sling“:
6 cl Gin
1,5 cl Bénédictine D.O.M.
1,5 cl Kirschwasser
1,5 cl Zitronensaft
2 Spritzer Angostura Bitters
2 Spritzer Orange Bitters
Sodawasser
Zubereitung: Alle Zutaten bis auf das Sodawasser kräftig auf Eis schütteln und ins mit frischen Eiswürfeln gefüllte Glas abseihen. Mit etwas Sodawasser toppen.
Glas: D.O.F.-Tumbler
Garnitur:
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Rezept „Singapore Spiced Sling“:
4 cl Gin
1,5 cl Luxardo Sangue Morlacco
2 Barlöffel Pierre Ferrand Dry Curacao
3 Barlöffel Nardini Fernet
1 cl frischer Granatapfelsaft
0,5 cl Ingwersirup
1,5 cl Limettensaft
1 Dash Angostura Bitters
1 Dash Bittermens Hellfire Habanero Shrub
10 cl Ananassaft aus dem Entsafter
Zubereitung: Einfach alle Zutaten kräftig auf Eis schütteln und ins mit Eiswürfeln gefüllte Glas abseihen.
Glas: Highball
Garnitur: Ananasstück und Cocktailkirsche
Bezugsquellen: Im Fachhandel oder online.
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