Zu manchen Cocktails habe ich ein besonders inniges Verhältnis, weil sie für mich persönlich wichtige Erfahrungen – wenn nicht gar Erweckungserlebnisse – auf dem Weg hin zum heutigen Cocktailenthusiasmus gewesen sind. Meist erwähne ich das dann auch in entsprechenden Artikeln oder lasse zumindest durchblicken, wenn ein solcher Cocktail hier vorgestellt wird. Über die besondere Bedeutung einer inzwischen etwas in die Jahre gekommenen Videoreihe, die anfänglich einen großen Einfluss auf mich hatte, habe ich z.B. auch im Rahmen meines Artikels über den Mint Julep berichtet.
Chris McMillians Videoreihe „New Orleans Best Cocktails“ ist, wie oben bereits angedeutet, in puncto Videoqualität sicherlich nicht mehr auf dem neuesten Stand. Aber inhaltlich liefert der New Orleans-Bartender hier nach wie vor eine wunderbar bodenständige Einführung in die amerikanische Cocktailkultur, natürlich mit einem Fokus auf seine Heimatstadt New Orleans. Und einer der wohl typischsten und gleichzeitig kuriosesten Cocktails aus jener Stadt ist zweifellos der Ramos Gin Fizz. Ich kann mich noch genau erinnern, wie ich regelrecht gestaunt habe, wie gut dieser Drink schmeckt, als ich ihn nach einiger gründlicher Vorbereitung erstmalig zubereitet habe: „Like drinking a flower“ wie bereits zeitgenössische Freunde des Ramos Gin Fizz zu sagen pflegten.
Der Ramos Gin Fizz geht wohl auf das Jahr 1888 zurück, wo er erstmalig vom namensgebenden Bartender Henry Ramos im Imperial Cabinet Saloon in New Orleans kreiert wurde. Relativ schnell sprach sich die herausragende Qualität dieses Drinks herum, auch wenn hier später einige Kritiker ob der aufwändigen Zubereitung des Cocktails davon abrieten, den Drink anderen zu empfehlen, da seine Zubereitung schlicht eine Zumutung für jeden Bartender sei. Wie auch immer, seinen eigentlichen Siegeszug trat der Ramos Gin Fizz dann aber aus der Sazerac Bar des Roosevelt Hotels in New Orleans heraus an, welches sogar die Rechte an diesem Cocktail erwarb (inzwischen kann aber natürlich jeder einen Ramos Gin Fizz herstellen, niemand muss sich also Sorgen machen). An dieser Stelle darf daher auch nicht die Anekdote über den damaligen Gouverneur Huey P. Long fehlen, welcher während seiner häufigen Reisen nach New York davon frustriert war, dass die Yankee-Bartender dort den Drink nicht kannten oder adäquat zubereiten konnten, weshalb er schließlich einen Bartender aus New Orleans einfliegen ließ, um den Bartendern im Norden zu zeigen, wie der Drink wirklich gemacht wird.
Doch noch einmal zurück an die Anfänge des Cocktails. Der Imperial Cabinet Saloon bekam nämlich bereits früh nach der Erfindung des Drinks ein ernsthaftes Problem: Die Originalrezeptur des Cocktail sah vor, dass dieser für sage und schreibe zwölf Minuten geschüttelt werden musste. Wer das einmal mit seinem Shaker versucht, der weiß, wieso das angesichts einer durstigen Gästeschar ein echtes Problem sein kann. Dies führte letztlich dazu, dass zwischenzeitig – je nach Quelle – 32 bis 35 „Shaker Boys“ damit betraut waren, die Ramos Gin Fizzes zu schütteln. Die Vorstellung eines New Orleans Saloons in den 1880ern mit einer ganzen Reihe Drinks schüttelnder Anzugträger sollte man also immer im Kopf haben, wenn man heute einen Ramos Gin Fizz genießt. Er schmeckt dann definitiv noch besser.
Apropos Geschmack: Die Zutaten für den Drink sind in der Tat in dieser Zusammenstellung ungewöhnlich: Gin, Zitronen- und Limettensaft, ein Eiweiß, Sahne, Zuckersirup, Orangenblütenwasser, Sodawasser und ein paar Tröpfchen Vanilleextrakt. Letztere Zutat wird man allerdings in vielen Rezepturen nicht finden, da sie durchaus umstritten ist. Als der Ramos Gin Fizz im Imperial Cabinet Saloon zubereitet wurde (und seine Rechte samt Rezeptur später vom Roosevelt Hotel aufgekauft wurden), war sein Rezept alles andere als publik. Doch auch nach Bekanntwerden der wesentlichen Zutaten wurde gemunkelt, es habe eine geheime Zutat im Originalrezept gegeben. Diese soll in ein paar Tropfen Vanilleextrakt bestanden haben. Viele weisen das zurück, doch Chris McMillian hat in seinem Ramos Gin Fizz-Video welches verwendet, weshalb ich neugierig wurde, ob mir der Drink mit oder ohne Vanilleextrakt besser schmecken würde. Und was soll ich sagen? Chris hat Recht, es passt ganz hervorragend zum Cocktail, ohne die anderen Aromen auch nur irgendwie zu überdecken. Vanilleextrakt kann man übrigens ganz einfach selbst herstellen (ich mag meins übrigens am liebsten auf Rumbasis). Entgegen manch anders lautender Quellen gehört dieser Drink für mich übrigens unbedingt in ein Longdrink- bzw. Highballglas (in das auf keinen Fall Eiswürfel gehören). Der Drink zählt übrigens eigentlich in die Kategorie der „Pick-me-up“-Cocktails, war also eigentlich zur Katerbekämpfung am Morgen gedacht. Da das erwiesenermaßen nicht funktioniert und alles nur noch schlimmer macht (man sollte ja eigentlich ohnehin nicht so viel trinken, dass es überhaupt nötig wird), kann man das allerdings getrost streichen und den Ramos Gin Fizz einfach so genießen.
Ein kleines Geständnis zur Zubereitung: Ich schüttele den Ramos Gin Fizz übrigens nur 2 Minuten. Er schmeckt trotzdem ganz hervorragend. Allerdings ersetze ich auch den Dry Shake durch einen kleinen Milchaufschäumerstab, mit dem ich das Eiweiß und die anderen Zutaten im Shaker zuvor aufschlage.
Und noch ein ergänzender Hinweis zu einem wirklich perfekten (wie ich finde) Ramos Gin Fizz: auch wenn es sehr kleinlich wirkt, macht es einen Unterschied, ob man Soda aus der Flasche, einfaches Mineralwasser oder Soda aus einem Siphon verwendet. Das Soda aus dem Siphon weist eine besonders feine Kohlensäure auf, die meiner Meinung nach dem Drink den noch feineren Schliff verpasst. Aber das ist selbstverständlich kein Muss. Achja: Orangenblütenwasser muss man ggf. über das Internet beziehen oder in einer Apotheke bestellen lassen.
Rezept:
6 cl Gin
1,5 cl Zitronensaft
1,5 cl Limettensaft
2 cl Zuckersirup
2 cl Sahne
1 Eiweiß
5-6 Tropfen Orangenblütenwasser
5-6 Tropen Vanilleextrakt
Sodawasser
Zubereitung: Alle Zutaten bis auf das Sodawasser in einem Shaker zunächst einem kräftigen Dry Shake unterziehen (alternativ mit einem Milchaufschäumer ein wenig aufschlagen). Anschließend mit Eis kräftig für ca. 2 Minuten (Im Originalrezept 12 Minuten!) schütteln. Ins vorgekühlte Glas abseihen und vorsichtig mit Soda aufgießen, dabei mit dem Barlöffel behutsam rühren, so dass sich eine voluminöse Schaumkrone bildet.
Glas: Highball bzw. Longdrink
Garnitur: keine (alternativ eine Orangen- oder Zitronenzeste)
Bezugsquellen: Im Fachhandel oder online. Zu Orangenblütenwasser und Vanilleextrakt siehe oben.
Geniales Rezept! Und der Artikel kst echt gut geschrieben, hat richtig spaß gemacht zu lesen 🙂
Vielen Dank, Philipp. Es freut mich natürlich, das zu hören. 🙂
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