Kunstwissenschaftler mögen mir diesen Vergleich nachsehen, aber der heutige Drink ist gewissermaßen Magrittes Pfeife unter den Cocktails. Wir sehen auf den ersten Blick einen Cocktail, der sich wie ein Julep geriert: Silberbecher, Minze, fein gestoßenes Eis und dazu ein eindeutiger Name „Rum Julep“. Zu blöd, dass dieser Cocktail kein Julep ist.
Betrachtet man die Zutatenliste, so wird sofort auffallen, dass es deutlich mehr Zutaten als in einem gewöhnlichen Juleprezept sind. Während im gewöhnlichen Julep zudem meist eine Spirituose nur subtil durch frische Kräuter und meist eine Süßungsquellle aromatisiert wird, haben wir es beim zugrundeliegenden Rum Julep wohl eher mit einer Art Punch zu tun, der gleich eine ganze Armada von Aromen auffährt, die sich im fertigen Cocktail zu einem Geschmackserlebnis verbinden. Und ein solches ist der Drink wahrlich, auch wenn der Name eben in die Irre führt. Tiki hin oder her, dieser Cocktail hat jedenfalls jede Menge zu bieten und seit auch in Deutschland wieder Pimentlikör gut erhältlich ist (The Bitter Truths „Pimento Dram“ sei Dank), steht diesem Drink nichts mehr im Wege. (Wer mehr nach einem rumbasierten Cocktail im Stile eines klassischen Juleps sucht, der sollte definitiv den Pirate’s Julep ausprobieren!)
Das Rezept orientiert sich an den Angaben von Jeff Berrys Tiki-Almanach „Beachbum Berry’s Sippin‘ Safari“, in dem neue und klassische Cocktails mit polynesisch-populärkulturellem Charme präsentiert werden. Während man in den Weiten des Internets und auf unzähligen Seiten zahlreicher Cocktailkompendien immer wieder Drinks findet, die unter ihrem Namen nur mit einem einzigen Rezept auftauchen, steht beim Rum Julep einwandfrei fest: Dieser Drink gehört nicht dazu. Vielmehr taucht er in unzähligen Rezeptvarianten auf. Dabei greift das Rezept aus Jeff Berrys Sammlung auf den Rum Julep des Tikiübervaters Ernest Gantt alias Don the Beachcomber zurück, welcher bereits in den 1940er Jahren diesen Drink kreierte und ab 1958 in seinem Cabaret Restaurant in Honolulu servierte.
Die angegebenen Rumsorten entsprechen den Angaben des Originalrezeptes. Über Substitute sollte jeder selbst entscheiden, möglich sind sie allemal. Je nach Intensität des Mixens im elektronischen Mixer erhält man zudem unterschiedliche Ergebnisse. Auf dem Foto sieht man eine Variante, bei der ich eher ein Ergebnis im Stile eines „Slushes“ erzielen wollte, was mir auch bei diesem Cocktail sehr gut gefallen hat. Möglich und eigentlich üblich ist aber eine Version mit gröberem Crushed Ice.
Rezept (in US-typischen Unzenangaben):
½ oz Limettensaft
½ oz Orangensaft
½ oz Honigwasser (s.u.)
½ oz Appleton Estate Extra Jamaican Rum
1 ½ oz Demerara Rum (ich habe den 5-jährigen El Dorado verwendet)
¼ Teelöffel Grenadine
¼ Teelöffel Falernum
¼ Teelöffel Pimentlikör (z.B. The Bitter Truth Pimento Dram)
1 Dash Angostura Bitters
Honigwasser: Einfach Wasser mit Honig im Verhältnis 1:1 in einer Pfanne bei mittlerer Hitze verbinden und abkühlen lassen.
Zubereitung: Alle Zutaten mit ca. 120 ml gestoßenem Eis (etwa eine gute Hand bzw. Eisschaufel voll) im elektronischen Mixer „blenden“. Je länger man blendet, desto „slushiger“ wird der Cocktail. Anschließend alle Zutaten in den Silberbecher geben.
Glas: Silberbecher
Garnitur: Minze
Bezugsquellen: Appleton Rum, Demerara Rum (El Dorado), Pimentlikör und Falernum übersteigen meist das Angebot gut sortierter Supermärkte, weshalb ein Besuch im Fachhandel unabdingbar werden dürfte. Alternativ bleibt natürlich – wie immer – die Onlinebestellung.
In Film und Literatur findet der Cocktail mehrfach Erwähnung, beispielsweise in Margaret Mitchells Südstaatenepos Vom Winde verweht oder in Francis Scott Fitzgeralds gesellschaftskritischem Roman Der große Gatsby. Im Film Goldfinger wird das Getränk von der Titelfigur angepriesen:“Mein Hausgetränk, sehr wohlschmeckend.“ Und im Film Thank You for Smoking wird er dem Captain (Robert Duvall) sogar noch zur letzten Ruhe gereicht.
Lieber Herr Heinzel,
verbessern Sie mich bitte, aber soweit ich weiß, trinkt Goldfinger einen Whiskey Julep. Der dargestellte Drink, würde heutzutage vermutlich nicht mehr auf diese Art und Weise präsentiert werden, da der klassische Silber-Becher und gestoßenes Eis fehlen. Ob dies im Film an der künstlerischen Freiheit, der Zeit oder einfach der Unkenntnis liegt, wird wohl offen bleiben müssen.
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