Wodka ist eine inzwischen fast schon polarisierende Spirituose. War der Wodka noch vor (und auch während des zarten Beginns) der Cocktailrenaissance gewissermaßen die „Mixspirituose Nr. 1“ – was er bis heute auch in vielen weniger auf Stil und Trinkkultur Wert legenden Etablissements der Erlebnisgastronomie oder beispielsweise in Großraumdiskotheken ist – so hat sich doch inzwischen wieder ein wenig im Wodkabereich getan. Und diese Entwicklung findet zunehmend Beachtung. (zugesandtes Testprodukt)*
Das Klischee des möglichst geschmacklosen und x-fach (tot)destillierten Schnapses aus Kartoffeln ist zwar längst nicht überwunden (abgesehen davon, dass ein Großteil des global verkauften Wodkas überhaupt nicht aus Kartoffeln hergestellt wird), aber es lassen sich an den Rändern des Wodkamarktes und auch im sog. Premiumbereich Tendenzen beobachten, die etwas versöhnlich stimmen.
Zum einen wäre da ein kleiner Trend hin zu gereiften, älteren Wodkas, die nicht einer vielfachen Destillation unterzogen wurden und die durch den Alterungs- und Reifungsprozess tatsächlich einen distinguierten Eigengeschmack entwickeln. Zum anderen entdeckt der Bereich der „Flavored Wodkas“ mehr und mehr auch nicht künstliche, auf natürlichen Infusionen basierende Möglichkeiten der Geschmacksbeeinflussung. Und gerade dieser zweite Trend ist es, der mich manchmal schmunzeln lässt, wenn manch ein Freund kaum mehr als Gin erkennbarer New Western Dry Gins apologetisch die Vorzüge der Gingattung preist, während er gleichzeitig auf den Wodka herabblickt. Denn in meinen Augen sind einige jener New Western Dry Gins mehr Flavored Wodka als Gin. Aber das ist wiederum eine ganz eigene Frage.
Jedenfalls lässt sich die heutige Flasche wohl eindeutig letztgenanntem Entwicklungstrend zuordnen. Denn der Berliner Brandstifter Berlin Vodka (man schreibt den Wodka hier englisch mit V) aus dem Hause Berliner Brandstifter von Vincent Honrodt beschreitet eben jenen Pfad. Das auch Gin und Korn herstellende Berliner Unternehmen stellt mit dem Berlin Vodka nämlich einen Wodka her, der einige Dinge anders macht (andere allerdings nicht). Für mich zunächst einmal weniger ansprechend ist die Ankündigung „5-fach destilliert, 7-fach gefiltert“. Denn das klingt eben genau nach jenen Wodkaklischees, mit denen ich dann unterm Strich doch eher weniger anfangen kann. Der Umstand, dass der Berlin Vodka jedoch auf Zuckerrüben basiert und zudem mit Blüten und Botanicals versetzt wurde, lässt mich hingegen aufhorchen. Ehrlich gesagt erwarte ich von dieser Flasche zwar keine vollendete Offenbarung, aber eben doch eine Alternative zu manchem New Western Dry Gin, wie er seit Jahren pilzgleich an jeder Ecke aus dem Boden sprießt.
Der mit 43,3% vol. in die Flasche gefüllte Berlin Vodka wurde mit einer Mischung von Botanicals versetzt, die laut Hersteller den Duft wilder Berliner Stadgärten einfangen soll. Tja, auf der Skala der Marketinggeschichten steht der Zeiger hier zwar gefühlt kurz vorm Anschlag, aber sei es drum: Während Adi Preißler einst zu sagen pflegte: „Grau is‘ im Leben alle Theorie – aber entscheidend is‘ auf’m Platz.“, suche ich die Entscheidung heute im Glas.
Tasting Notes:
Aroma: Zunächst einmal finde ich hier überraschend wenig, so dass ich mich direkt frage, ob ich die Sache mit dem Wodka wohl abermals falsch angehe. Die Blüteninfustion bleibt jedenfalls überaus subtil und ist in keinem Fall mit dem zu verwechseln, was man gemeinhin als Flavored Vodka kennt. Mit der Zeit kristallisieren sich dann aber doch Feinheiten heraus, so finde ich definitiv feine Beerentöne von Himbeeren und Johannisbeeren, vielleicht auch eine Nuance Kirsche. Dahinter folgen unglaublich leichte blumige Töne, die fast schon so flüchtig sind, dass man sie nicht entdeckt. Der Wodka selbst bleibt sehr, sehr zurückhaltend, mit leicht mineralischen Anklängen und einer Idee von frischem Quark.
Geschmack: Am Gaumen finde ich eine interessante, mineralische Süße, die kurz darauf in Richtung eines Puderzuckers mit sehr feinen Fruchtanklängen übergeht. Wieder sind Beeren (Himbeeren und Johannisbeeren, vielleicht etwas Erdbeere) mit von der Partie und ein wenig Steinsalz als Konterpunkt. Mild ist der Berlin Vodka, aber eben in seinem Gesamtauftritt auch sehr zurückhaltend. Keine Frage: hier ist um einiges mehr als nichts enthalten. Aber auch nicht so viel, dass ich mich zu einem wirklich begeisterten Fazit durchringen könnte.
Abgang: flüchtig, leicht mineralisch, recht kurz
Gut, ein passionierter Wodkaliebhaber wird aus mir nicht mehr. Ich muss gestehen: Fassgereifte Wodkas sind mir dann doch mit Abstand die liebsten Vertreter, aber immerhin findet sich hier deutlich mehr als in klassischen x-fach totdestillierten Wässerchen. Ich wollte von Anfang an die blumigen Nuancen des Berliner Brandstifter Berlin Vodkas betonen und habe deshalb einen Drinks mit dem sich reimenden Namen „Flower Sour“ kreiert (den Namen hat es bestimmt schon irgendwo da draußen gegeben). Im Grunde handelt es sich hierbei um einen Vodka Sour mit Eiweiß (also die Boston-Variante), der mit etwas Cherry Bitters, einem Hauch Himbeergeist und Creme Violette auf eine ganz andere Stufe gehoben wird. Floral, fruchtig, blumig und immer noch recht fein im Geschmack. Und das alles mit einer betörend himmelblauen Farbe, die den Frühling herbeisehnen lässt. Cheers!
Rezept „Flower Sour“:
6 cl Berliner Brandstifter Berlin Vodka
3 cl Zitronensaft
2 cl Zuckersirup
1 cl The Bitter Truth Violet Liqueur
1 Barlöffel Himbeergeist
1 Dash Fee Brothers Cherry Bitters
1 Eiweiß
Zubereitung: Alle Zutaten zunächst im Shaker ohne Eis einem „Dry Shake“ unterziehen. Schließlich mit Eis aufgießen und kräftig schütteln. Danach ins mit frischen Eiswürfeln gefüllte Glas abseihen.
Glas: Tumbler oder kleines Longdrinkglas
Garnitur: Essbare Blüte
Bezugsquellen: Im Fachhandel oder online, z.B. bei Conalco.
*Die Flasche für dieses Review wurde mir von der Conalco Spirituosen UG zur Verfügung gestellt. Der Umstand, dass mir dieses Produkt zu redaktionellen Zwecken unentgeltlich zur Verfügung gestellt worden ist, bedeutet jedoch nicht, dass in irgendeiner Weise Einfluss auf den Artikelinhalt oder meine Bewertung genommen wurde. Vielmehr ist es für mich stets unverrückbare Bedingung, völlig frei und unbeeinflusst rezensieren zu können.