Es ist inzwischen schone eine ganze Weile her (bald 4 Jahre), dass ich im Rahmen meines Artikels über den Spiced TNT Cocktail im Nebensatz auf einen Tequila & Tonic als Highball eingegangen bin (der Spiced TNT ist im Grunde auch nichts anderes als eine aufgewertete Variante dieses Highballs bzw. Longdrinks). Damals wurde Tequila und Mezcal überall als das neue Ding in der Barwelt diskutiert und (so auch von mir) erwartet. So wirklich eingetreten ist diese Entwicklung zwar in der Breite nicht, aber Tequila und Mezcal sind durchaus beliebter bzw. überhaupt bekannt geworden. Vor allem ist aber das Qualitätsbewusstsein stark gestiegen. (zugesandte Testprodukte)*
Tja, warum hole ich in der Einleitung derart aus? Nun, das hat – oh Wunder – mit den heutigen Flaschen zu tun, auf die ich einen näheren Blick werfen möchte. Dabei handelt es sich um zwei 100% Agave-Tequilas, die eben von vornherein mit der Perspektive entworfen und destilliert wurden, einmal als Basis für einen T&T bzw. einen Tequila & Tonic zu dienen. Da der Tequila & Tonic nach wie vor alles andere als bekannt oder etabliert ist (zumindest in den mir geläufigen Bargefilden), ist diese Programmatik auch vielleicht ganz gut gewählt, um sich einerseits interessant zu machen und andererseits eben den besagten Highball noch weiter zu pushen.
Die beiden Flaschen, die nun vor mir stehen, hören auf den Namen El Rayo. Der El Rayo Tequila wird von Maestro Tequilero Oscar Garcia aus acht Jahre alten Agaven hergestellt, welche zunächst 12 Stunden gebacken werden, bevor sie zerkleinert und die hergestellte Maische schließlich auf einer 105 Jahre alten, kupfernen Pot Still gebrannt wird. Der Name El Rayo bedeutet übersetzt soviel wie “der Blitz”. Das geht auf eine verbreitete mexikanische Legende zurück, nach der ein Blitz einst eine blaue Agave gespalten haben soll. So soll der erste Tequila entstanden sein.
Ob das nun der Wahrheit entspricht oder nicht, sei dahingestellt. Jedenfalls finden zwei unterschiedliche Qualitäten des zu 100% aus der blauen Agave hergestellten El Rayo den Weg zu uns nach Deutschland: Der El Rayo No. 1 Plata und der El Rayo No. 2 Reposado. Letzterer wurde für sieben Monate in ehemaligen Bourbonfässern gereift. Beide werden mit 40% vol. abgefüllt. Natürlich möchte ich heute auch der Qualität im besagten Tequila & Tonic auf den Grund gehen, zunächst soll aber auch die Purverkostung nicht zu kurz kommen.
Tasting Notes „El Rayo No.1 Plata”:
Aroma: Die Nase ist sehr angenehm, ich finde Zitrone, mineralische Anklänge, wie sie für einen Tequila typisch sind, erdige Agave, Steinsalz, einen Hauch Melisse, zudem Thymian und diffuse Kräuterassoziationen. Abschließend ist da noch etwas Lakritzkreide.
Geschmack: Am Gaumen zeigt sich eine feine, mineralische Süße, die mich an Emser Salzpastillen denken lässt, dann habe ich erneut Zitronenschale, Agave, Salbei, Thymian und das angenehme, sehr weiche und in sich ganz leicht säuerliche Momentum von ungesüßtem Quark.
Abgang: der Abgang ist mittellang, lässt vielleicht ein wenig die Breite vermissen, kommt aber vor allem mit erdigen Agavennoten daher.
Tasting Notes “El Rayo No. 2 Reposado”:
Aroma: Es handelt sich hierbei schon erkennbar um den gleichen Tequila. Wieder finde ich Zitrone und mineralische Noten, Melisse und Kräuterassoziationen bleiben ebenfalls konstant. Hinzu tritt nun aber eine sanfte Vanille und helle Fruchtnoten von Mirabellen, Pfirsichen und Orangen. Dazu eine leicht süßliche Quarkspeise und etwas Kuchenteig.
Geschmack: Auch am Gaumen zeigt sich eine Entwicklung hin zu wärmeren Tönen mit Vanille, Kuchenteig und leichten Anklängen von Quitten. Die Fruchtnoten, die den Reposado noch in der Nase geprägt haben, sind hier sehr stark zurückgetreten. Dafür finde ich natürlich noch immer die Agave, die Quarkspeise und Zitronenmelisse.
Abgang: mittellang, gefälliger als beim Plata und mit leichten Eichennoten
Da diese Tequilas explizit für die Verwendung in Tequila & Tonics angepriesen werden, bin ich heute dieser Empfehlung auch gefolgt. Ich habe mich für die Kombination mit dem sehr spannenden Franklin & Sons Tonic entschieden. Als Garnitur habe ich ein Salbeiblatt bzw. (in Kombination mit dem Reposado) die Scheibe einer Clementine verwendet und habe durchaus Gefallen an beiden Varianten gefunden. Tequila und Tonic harmonieren sehr schön, beide Tequilas sind dabei nicht zu kantig und sperrig und fügen sich mit ihrer kräutrig-fruchtigen Aromatik sehr gelungen ins Bild ein. Ob man jetzt so weit gehen muss, zu sagen: diese Tequilas sind extra für die Verwendung in diesem Highball konzipiert… ich weiß nicht. Aber sie funktionieren zweifelsohne hervorragend in diesem Drink! (Aber sicherlich auch in anderen Cocktails!)
Wer also nach einem unkomplizierten und gut vermixbaren 100%-Agave-Tequila sucht, der wird mit El Rayo nicht viel falsch machen können! Für den anspruchsvolleren Purtrinker wird es sicher noch komplexere Agavendestillate geben, aber auch hier kann ich über den El Rayo nichts wirklich Schlechtes sagen. Er wäre hier nur schlicht nicht in meinem Favoritenbereich anzusiedeln, da mir doch hier und da ein wenig das Besondere fehlt. Aber das muss letztlich ohnehin jeder selbst herausfinden.