Wer sich mit der Welt und der Geschichte der (karibischen) Rums auseinandersetzt, für den führt natürlich kein Weg an bestimmten Inseln bzw. Staaten vorbei. Kuba, Barbados, auch Trinidad und die Virgin Islands fallen einem hier ein, aber natürlich auch Jamaika. Und wer an jamaikanischen Rum denkt, der denkt meist auch recht schnell an Appleton Estate. Gleichzeitig werden aber auch die besonders kräftigen, intensiven „High Ester“-Rums mit Jamaika assoziiert. Umso erstaunlicher ist es da, dass der vermeintlich berühmteste Name für jamaikanischen Rum so wenig mit den vermeintlich berühmtesten Charaktereigenschaften eines jamaikanischen Rums gemein hat. (Zugesandtes Testprodukt*)
Als älteste Brennerei Jamaikas ist die Geschichte der Appleton Estate-Destille eine lange und wechselhafte. Nachweislich wird dort seit dem Jahr 1749 Rum produziert, was ohne Frage eine ganz schön lange Zeitspanne darstellt. Die Anfänge von Appleton Estate sollen dabei sogar noch weiter zurückgehen und bis ins Jahr 1655 reichen, jenem Jahr, in dem Großbritannien als Kolonialherr die Spanier ablöste. Wechselhaft ist die Geschichte auch mit Blick auf die Besitzer. Zunächst erwarb das jamaikanische Rumunternehmen J. Wray & Nephew Ltd. Appleton Estate (und auch heute steht der Name noch auf der Verpackung), später wurde dieses aber von der ebenfalls jamaikanischen Unternehmensgruppe Lascelles deMercado aufekauft, die wiederum von der später verstaatlichten CL Financial aus Trinidad und Tobago erworben wurden, bis hin zum heutigen Besitzer, der italienischen Gruppo Campari.
Das Appleton Estate ist gelegen im Nassau Valley im Cockpit Country im zentral-nord-westlichen Jamaika. Die Region rühmt sich mit besonders fruchtbaren Böden und bietet somit ein ideales Terroir für das Zuckerrohr und die daraus resultierende Melasse, aus der später der Rum hergestellt wird (ich verwende den Terroir-Begriff, obwohl es durchaus Gegenstand von Diskussionen ist, ob es so etwas wie Terroir in der Rumherstellung überhaupt gibt – der Terroirgedanke wird explizit auch von anderen Herstellern aufgegriffen, dazu finden sich auch bspw. Informationen in meinem Artikel über zwei Rums aus der Plantation Vintage Edition). Die Abfüllungen aus der Brennerei werden dort von Joy Spence dem finalen Feinschliff unterzogen und vermählt, eine Besonderheit, da Spence sich mit dem Titel der ersten weiblichen Master Blenderin rühmen darf. Die Rums reifen relativ typisch in Fässern aus amerikanischer Weißeiche und werden – je nach Abfüllung – zu verschiedenen Zeitpunkten miteinander vereint.
Hiermit will ich dann auch auf die Flasche überleiten, um die es heute gehen soll: der Appleton Estate Rare Blend Aged 12 Years durfte – man erahnt es – für mindestens 12 Jahre in besagten Fässern reifen. Zwar gibt es bei Rum keine generelle Garantie für die Altersangaben auf Etiketten, jamaikanische Rums bieten hier für den Konsumenten aber die komfortable Rechtssicherheit, die man auch von Bourbon, Scotch und Co kennt: steht 12 Jahre auf dem Etikett, so muss der jüngste (!) Tropfen in der Flasche 12 Jahre in Fässern gereift worden sein. Ein Teil des Appleton Estate Rare Blend 12 Year Old ist also auch älter als 12 Jahre. Beworben wird er als „Premium Aged Golden Rum“, was auch mit der Farbe übereinstimmt, wobei er sogar recht dunkel für einen „Golden Rum“ ausfällt. Mit den „Golden Rums“ ist das jedoch so eine Sache: Genau wie auch „White Rums“ nicht zwangsläufig ungereifte Rums sind, ist die Frage, was ein „Golden Rum“ ist, an sich völlig subjektiv und Ansichtssache des Herstellers. Da auch noch gemeinhin gefärbt werden darf, macht es das Ganze noch weniger aussagekräftig. Auch beim 12-jährigen Appelton Estate wurde etwas mit Zuckercouleur nachgeholfen, um eine einheitliche Farbgebung zu gewährleisten, wie es heißt. Tatsächlich kann man hier davon ausgehen, dass nicht im großen Stil abgedunkelt wird, da eine mindestens 12-jährige Reifezeit natürlich auch einiges an Farbe mit sich bringt.
Wirklich gut gefallen mir auch die Verpackung und die Flasche, die den Premiumanspruch des Produktes definitiv unterstreichen. Gerade im Rumsegment sehe ich wirklich oft Flaschen, deren Design auf jeden Fall verbesserungswürdig ist, doch hier hat man es mit einer formschönen und auffälligen Flasche zu tun. Aber natürlich ist das Äußere letztlich nicht entscheidend, sondern das, was sich darin befindet. Und obwohl der Hersteller hier explizit erwähnt, dass der Rum „Straight up“ oder auf Eis genossen werden sollte, habe ich den Appleton Estate Rare Blend Aged 12 Years auch in einem Cocktail eingesetzt, einer Variante eines Rum Old Fashioned, auf die ich gleich noch kurz eingehen werde. Doch zuerst die Tasting Notes für den puren Rum.
Tasting Notes:
Aroma: Hier zeigt sich, worauf ich eingangs bereits hingewiesen habe: der Appleton Estate 12 Years ist definitiv keine Esterbombe, die mit Fruchtnoten nur so um sich wirft. Zwar finde ich etwas Ananas und Orange, aber in erster Linie sind es doch die Assoziationen von braunem Zucker, ein wenig Schokolade und Eiche, die diesen Rum auszeichnen. Mit der Zeit kommt auch etwas Kaffee und Karamell hinzu. Das Aromenbild gefällt mir persönlich sehr gut, trotz seiner eher für Jamaika untypischen Charakteristik.
Geschmack: Am Gaumen finde ich Milchschokolade, etwas Kokoswasser, Melasse, nur sehr zarte Fruchttöne, dafür aber Eiche und einen durchaus vollmundigen Gewürzeinschlag (Zimt, Muskat).
Abgang: Vanille, Eiche und ein lang anhaltender, dunkler Kaffee. Gefällt mir außerordentlich gut!
Viele Rum Old Fashioneds setzen bei ihrer Aromenkomposition besonders auf die dunklen Fruchttöne des Rums. Daher findet man meist Orange Bitters, das Öl einer Orangenzeste und dergleichen darin. Hier wollte ich ein wenig anders akzentuieren und habe mich für ein Zusammenspiel von ein wenig hochwertigem Kaffee, Pedro Ximenez Sherry, ein klein wenig Creme de Cacao, The Bitter Truth Spiced Chocolate Bitters und einem White Chocolate Espuma entschieden. Sieht schön aus und schmeckt wirklich göttlich. Und ich schätze, dass jeder Freund eines White Russians hier auch seine Freude haben dürfte.
Rezept „Appleton Coffee Old Fashioned & White Chocolate Espuma“:
5,5 cl Appleton Estate Rare Blend Aged 12 Years
1 cl hochwertiger Espresso
2 Barlöffel Pedro Ximenez Sherry
1 Barlöffel Creme de Cacao
2 Dashes the Bitter Truth Spiced Chocolate Bitters
White Chocolate Espuma (s.u.)
White Chocolate Espuma: für ein 250ml Sahnesiphon gut 180 ml Milch zusammen mit ca. 160 g weißer Schokolade und einer aufgeschlitzten Vanillestange erhitzen (nicht kochen), bis die Schokolade geschmolzen ist. Durch ein Feinsieb in den Sahnesiphon gießen und im Kühlschrank abkühlen lassen. Mit zwei Patronen laden und gut schütteln.
Zubereitung: Alle Zutaten bis auf das Espuma in ein mit Eiswürfeln gefülltes Rührglas geben und kalt rühren. Zuletzt White Chocolate Espuma auf den Drink geben und ein wenig Muskat darüber reiben.
Glas: Coupette
Garnitur: White Chocolate Espuma (s.o.) und Frisch geriebener Muskatnuss
Bezugsquellen: Im Fachhandel oder online.
*(Der Umstand, dass mir dieses Produkt zu redaktionellen Zwecken unentgeltlich zur Verfügung gestellt worden ist, bedeutet nicht, dass in irgendeiner Weise Einfluss auf den Artikelinhalt oder meine Bewertung genommen wurde. Vielmehr ist es für mich stets unverrückbare Bedingung, völlig frei und unbeeinflusst rezensieren zu können.)
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