Wenn man sich in der Barwelt umschaut, gibt es natürlich zahlreiche Klassiker unter den Zutaten. Ob man dabei an rote, italienische Bitterliköre denkt, bestimmte, französische Holunderblütenliköre oder aber an intensive und inzwischen nicht mehr ganz so gut verfügbare Klosterliköre: in all den genannten Kategorien gibt es die eine, weltberühmte Marke, die im Grunde jeder kennt und die kaum aus dem Geschehen wegzudenken ist. Dass ich jetzt direkt drei Liköre aufgezählt habe, ist dabei allerdings eher ein Zufall – auch wenn es heute ebenfalls um einen Likör gehen wird. (zugesandtes Testprodukt)*
Zugegeben, es gibt auch immer wieder einmal den Versuch oder eher das Statement einiger Gastronomen, dass nicht die Marken das Geschehen diktieren, sondern die Bars selbst. Jörg Meyer aus dem Le Lion ist hier sicherlich ein bekanntes Beispiel; er hat in der Vergangenheit immer mal wieder zum Nachdenken über dieses Thema angeregt. Aber darum soll es heute auch eigentlich nicht gehen.
Mir geht es vielmehr um ein Produkt, das eben ein solcher Klassiker, wie ich sie eingangs erwähnte, geworden ist: den Pierre Ferrand Dry Curaçao. Aus kaum einer Bar ist er wegzudenken – und fragt man Profis wie Hobbyisten nach einer Curaçao-Empfehlung, so fällt fast immer der Name Pierre Ferrand als erstes.
Durchsucht man diesen Blog, wird man auch schnell herausfinden, dass ich zu dieser Flasche auch schon vor ziemlich genau sieben Jahren einen Artikel verfasst habe. Darin habe ich nicht nur das Produkt vorgestellt, sondern auch viel Grundsätzliches über Curaçaos und Orangenliköre im Allgemeinen erklärt. Heute aber habe ich die Ehre, eine Flasche zu rezensieren, die nun als Geschwisterprodukt mehr oder weniger neu am Markt verfügbar ist: den Pierre Ferrand Dry Curaçao Yuzu. Wie der große, berühmte Bruder basiert auch dieser Curaçao auf einem Cognac-Weinbrand-Blend. Mit 158g Zucker pro Liter handelt es sich hierbei zwar um einen Likör (was oberhalb von 100g/l gegeben ist), allerdings ist der Zuckergehalt im Vergleich dennoch eher moderat, was mitunter den Zusatz „Dry“ in gewisser Weise rechtfertig. Während der Herstellung werden Yuzufrüchte zunächst eine Woche lang in Weinbrand eingelegt (für all diejenigen, denen diese Frucht gar nichts sagt: es handelt sich um eine vornehmlich japanische, aber auch in China verbreitete Zitrusfrucht mit einem sehr komplexen, würzig-aromatischen Geschmacksprofil) und schließlich auf Kupferbrennblassen gebrannt. Zusätzlich wird eine Infusion aus Gewürzen (u.a. Vanille) und Früchten (Yuzus und Zitronen) hergestellt, indem man diese mehrere Monate lang in Weinbrand mazerieren lässt. Schließlich werden Destillat und ein kleiner Teil Infusion vermählt, mit Vanille, Brand und Cognac vermischt und mit Zucker zum finalen Produkt abgerundet. Abgefüllt wird schließlich mit 40% vol.
Ich bin sehr gespannt, inwiefern hier eine neue, innovative Spielart des klassischen Curaçao vorliegt.
Tasting Notes:
Aroma: Bereits in der Nase zeigt sich der Pierre Ferrand Dry Curaçao Yuzu ansprechend vielschichtig. Es sind sofort Yuzunoten zugegen, die sich mit Noten anderer Zitrusfrüchte verbinden. Ich finde hier Zitronen, Mandarinen, auch Assoziationen klassischer Orange, vordergründig bleibt aber die spezifische Yuzu-Charakteristik. Dahinter folgen Kräuternoten, etwas frische Minze, ein Hauch Nelke, satte Vanille, wenig Pfeffer, aber auch florale Anklänge.
Geschmack: eine angemessene Süße, die keinesfalls zu stark ausfällt, trägt die Aromen des Likörs ansprechend an den Gaumen heran. Würzige Bitterkeit wie beim großen Bruder paart sich mit einer betörenden Zitrusfrische, die auch mit der Charakteristik der bitter-würzigen Schalen aufwartet und dadurch sehr überzeugend ausfällt. Auch hier sind würzig-kräutrige Töne zugegen, die dem Likör Tiefe und Komplexität verleihen.
Abgang: lang und würzig-frisch
Auch auf dem Etikett dieser Flasche wirbt der Hersteller mit der Kollaberation zwischen Ferrand und dem US-Cocktail-Historiker David Wondrich bei der Konzeption des Likörs. Das gleiche Narrativ findet sich auch auf dem Etikett des großen Bruders, man zielt hier auf die Nachempfindung der Orangenliköre des 19. Jahrhunderts ab. Grund genug für mich, mich eben an jenen Drinks des 19. Jahrhunderts zu orientieren und einen Yuzu-Twist mit dem Pierre Ferrand Dry Curaçao Yuzu zu mixen. Meine Wahl fiel dabei auf den Honey Moon Cocktail aus Hugo R. Ensslins „Recipes for Mixed Drinks“ von 1917 – damit liege ich zwar nicht mehr ganz im 19. Jahrhundert, aber sehr nah dran, während der Drink stilistisch ohnehin in jene Zeit passt (und u.U. auch seine Ursprünge dort hat). Die Variante mit dem Pierre Ferrand Dry Curaçao Yuzu ist gewissermaßen ein japanischer Twist, weshalb ich den Drink einfach kurzerhand als Honeymoon in Japan bezeichnen will.
Rezept „Honeymoon in Japan“ (angelehnt an Hugo R. Ensslin, 1917):
6 cl Calvados Domaine du Coquerel Pommeau Barrel Finish
1,5 cl Pierre Ferrand Dry Curaçao Yuzu
1,5 cl D.O.M. Benedictine
2,25 cl Zitronensaft
2 Dashes Celery Bitters
Zubereitung: Alle Zutaten kräftig auf Eis schütteln und ins vorgekühlte Glas abseihen. Mit dem Öl einer Orangenzeste besprühen.
Glas: Coupette
Garnitur: Orangenzeste
Bezugsquellen: Im Fachhandel oder online
*Der Umstand, dass mir dieses Produkt zu redaktionellen Zwecken unentgeltlich zur Verfügung gestellt worden ist, bedeutet nicht, dass in irgendeiner Weise Einfluss auf den Artikelinhalt oder meine Bewertung genommen wurde. Vielmehr ist es für mich stets unverrückbare Bedingung, völlig frei und unbeeinflusst rezensieren zu können.