Nach einer kleinen Urlaubs-Sommerpause hier im Blog geht es heute mit einer Flasche Gin weiter, zu der ich ein ganz besonderes Verhältnis habe. Denn bei zahlreichen Gin-Tastings, die ich in der Vergangenheit moderiert habe, habe ich diesen Gin ans Ende der Verkostungsreihe gestellt (oder zumindest fast ans Ende). Warum habe ich das getan? Nun, der G’Vine Nouaison Gin ist bereits seit Längerem (2001) am Markt erhältlich (wenn auch inzwischen in einem veränderten Design) und steht für mich sinnbildlich für die Breite der Gin-Geschmackspalette – und das auch schon vor der ganz großen Welle an New Western Dry Gins. (zugesandtes Testprodukt)*
Er steht deshalb für die Breite der Geschmackspalette, weil er auf Anhieb nicht immer von jedem direkt als ein Gin erkannt wird (zumindest sind das meine Erfahrungen). Vergleicht man ihn mit klassischen Wacholdervertretern, so fällt sofort auf, dass hier etwas ganz Anderes im Glas ist. Aber was ist es eigentlich genau, das den G’Vine Nouaison so anders macht?
Nun, das Wort Nouaison bezeichnet im Französischen so viel wie die Fruchtbildung einer Blume bzw. Pflanze. Um den Nouaison zu verstehen, muss man wissen, dass er auch noch eine Schwesterflasche hat, nämlich den G’Vine Floraison, was wiederum so viel wie „Blütenbildung“ bedeutet. Im Vergleich zum tatsächlich blumigeren und filigraneren Floraison fällt der Nouaison etwas kräftiger und herber aus (was sich auch in der höheren Alkoholstärke von 45% vol. gegenüber dem mit 40% vol. abgefüllten Floraison zeigt). Grundlage für die Gins aus dem Hause G’Vine ist neutraler Trauben-Tresterbrand der Rebsorte Ugni-Blanc aus der Cognacregion Neu-Aquitanien. Ungewöhnlich ist hier die vierfache Destillation, die man im Ginbereich eher selten antrifft. Zu den verwendeten Botanicals zählen u.a. Muskatnuss, Ingwer, Süßholz, Bergamotte, Zitrone, Koriander, Trockenpflaume, Cassia-Zimt und natürlich Wacholder. Besonders hervorzuheben ist hier noch die grüne Blüte der Traubenpflanze.
Tasting Notes:
Aroma: Orangen und Zitronenschalen verbinden sich mit einem würzigen Wacholder mit schönen Süßholzbeiklängen zu einem sehr ansprechenden Aroma. Mit der Zeit tendieren die Zitrusnoten ein wenig in Richtung Mandarine, auch Trockenpflaumen kommen hindurch und verschmelzen wunderbar mit Kardamom und Ingwer zu einem wirklich verführerischen Geruchsbild, ich mag diesen Gin ausgesprochen gern!
Geschmack: Auch am Gaumen kann man vieles finden, das sich bereits in der Nase zeigte. Die Zitrusnoten harmonieren wunderbar mit Wacholder und Gewürzen. Vor allem ist es hier der interessante Mix aus süßlich-schweren, fast orientalischen Noten von Trockenpflaumen, Ingwer, Kardamom und Co, der zusammen mit den frischen und leicht harzigen Noten ein herbes, ausgewogenes Gesamtbild erzeugt.
Abgang: kräutrig, holzig mit blumigen Noten
Wenn ich den G’Vine Nouaison in einem klassischen Gin & Tonic trinken möchte, greife ich i.d.R. zu einem einfachen (Fever Tree), meist aber zu einem extra trockenen Tonic Water (Schweppes). Tatsächlich ergibt der Gin auch einen sehr interessanten und unkonventionellen Negroni. Heute soll es aber etwas anderes sein – und zwar der Jockey Club Cocktail aus Harry Craddock’s Savoy Cocktail Book von 1930. Für diesen Drink führt Mr. Craddock „Crème de Noyau“ als Zutat auf, was ein Likör auf der Basis von Aprikosenkernen und Bittermandeln ist, der einen marzipanartigen Geschmack aufweist. Unter dem Namen „Crème de Noyaux“ bietet der Hersteller Tempus Fugit bspw. einen solchen an. Ich bin persönlich allerdings sehr sensibel, wenn es um Marzipan bzw. einen marzipanartigen Geschmack geht, da ich Marzipan als eine der wenigen Dinge auf dieser Welt tatsächlich schlicht nicht mag. Mir ist auch bewusst, dass die Empfindungen hier auseinander gehen: ich habe schon manch einen ebenfalls marzipanskeptischen Menschen getroffen, der Dinge als „marzipanartig“ empfand, die ich wiederum nicht so wahrgenommen habe und umgekehrt. Daher mag meine Empfehlung nicht für jeden zutreffen, doch da mir persönlich der Scheibel Alte Zeit Apricot Brandy wirklich gut gefallen hat und ich ihn auch ob seiner Komplexität schätze, habe ich mir erlaubt, den Jockey Club Cocktail dahingehend zu modifizieren. Und einen Barlöffel Fernet Branca konnte ich mir nicht verkneifen. Der Cocktail gewinnt dadurch eine wunderbare Tiefe.
Rezept „Improved Jockey Club Cocktail“ (nach H. Craddock, 1930, von mir leicht veränderte Rezeptur):
6 cl G’Vine Nouaison Gin
2,5 cl Zitronensaft
2 cl Scheibel Alte Zeit Apricot Brandy
0,5 cl Zuckersirup
1 Barlöffel Fernet Branca
2 Dashes Orange Bitters
2 Dashes Angostura Bitters
Zubereitung: Alle Zutaten in einem Shaker kräftig auf Eis schütteln und doppelt ins vorgekühlte Glas abseihen.
Glas: Coupette
Garnitur: Zitronenzeste
Bezugsquellen: Im Fachhandel oder online, z.B. bei Conalco.
*Die Flasche für dieses Review wurde mir von der Conalco Spirituosen UG zur Verfügung gestellt. Der Umstand, dass mir dieses Produkt zu redaktionellen Zwecken unentgeltlich zur Verfügung gestellt worden ist, bedeutet jedoch nicht, dass in irgendeiner Weise Einfluss auf den Artikelinhalt oder meine Bewertung genommen wurde. Vielmehr ist es für mich stets unverrückbare Bedingung, völlig frei und unbeeinflusst rezensieren zu können.