1776 – eine Zahl, die vermutlich den meisten Leuten sofort ein bestimmtes Ereignis ins Bewusstsein ruft. Während in den Vereinigten Staaten von Amerika nun wirklich jedes Kind weiß, was in jenem Jahr geschah, dürfte auch hierzulande die Amerikanische Unabhängigkeitserklärung das größte und bedeutendste Ereignis sein, das man mit dem Jahr 1776 verbindet. Was liegt da näher, als eine Serie von Whiskeys so zu nennen, die den ureigenen American Spirit in flüssiger Form transportieren sollen? (zugesandte Testprodukte*)
Aber ist das wirklich als Grund ausreichend, einen Whiskey so zu nennen? Neben einer gehörigen Portion Nationalflair sollte ja schon auch ein bestimmter Bezug des Produktes zu diesem Zeitpunkt in der Geschichte vorhanden sein. Und genau so ist es auch, schließlich haben wir es hier mit der sage und schreibe ältesten und legendärsten Whiskeymarke der USA zu tun – vermeintlich. Wieso sage ich „vermeintlich“? Nunja, an dieser Stelle wird es etwas „frickelig“ im Dschungel der amerikanischen Whiskeygeschichte, weshalb wir einmal genau hinsehen müssen: Wer immer sich mit amerikanischem Whiskey bzw. Bourbon beschäftigt, für den führt natürlich kein Weg am Bundesstaat Kentucky vorbei. Und dort begann tatsächlich im Jahr 1776 die Familie Pepper mit der Destillation eines eigenen Whiskeys. Elijah Pepper kreierte damals als erster der Familie seinen eigenen Bourbon, bis er im Jahr 1838 von Oscar Pepper abgelöst wurde, welcher wiederum im Jahr 1867 von Colonel James E. Pepper beerbt wurde. Und jener Colones James E. Pepper ist eine durchaus schillernde Persönlichkeit in der amerikanischen Geschichte. Er war als Whiskeyunternehmer überaus erfolgreich und verkehrte auch regelmäßig mit Größen seiner Zeit wie den Unternehmern John D. Rockefeller und Cornelius Vanderbilt oder dem späteren Präsidenten Theodore Roosevelt. Pepper züchtete nebenher auch noch Pferde für das legendäre Kentucky Derby, zu dem man noch heute einen schönen Mint Julep genießt und ist obendrein noch eng mit der Geschichte des Old Fashioned verwoben: Der mutmaßlich im Pendennis Club in Louisville, Kentucky erfundene Cocktail soll dort von einem Barkeeper namens Martin Cuneo während der 1890er Jahre Colonel Pepper serviert worden und später von diesem im Waldorf Astoria in Manhattan berühmt gemacht worden sein (Colonel James E. Pepper lebte lange Zeit in eben diesem Hotel). Man merkt also schon: Der besagte Herr Pepper ist ein Schwergewicht der amerikanischen Whiskeygeschichte.
Und eben dieser Mann war ja nun eigentlich vor allem ein Whiskeyunternehmer. Um sein flüssiges Gold unter die Leute zu bringen, reiste er gern in seinem eigenen (!) Eisenbahnwagon durch das Land und pries seinen „Old 1776“ genannten Whiskey den Leuten an, welchen er schon damals mit dem Jahr der Gründungstätigkeit seines Großvaters (und dessen Originalrezept) bewarb – Colonel Pepper hat natürlich auch schon damals gewusst, welch patriotische Synergien ein solcher Name freisetzen würde. So weit so gut. Wieso erzähle ich das alles? Richtig, ich wollte erläutern, wieso ich oben vom vermeintlich ältesten Whiskey sprach. Nach Colonel James E. Pepper wurde es nämlich erst einmal still um den „Old 1776“ und die Produktion stoppte. Die Marke bestand zwar weiterhin als Name, es gab aber keinen wirklichen Old 1776 Whiskey mehr.
Und nun schlug die Stunde des Marketings, wenn auch eines nicht gänzlich aus der Luft gegriffenen Marketings! Das Unternehmen Georgetown Trading Co. übernahm erst vor einigen Jahren die Markenrechte des Old 1776 und brachte den Whiskey neu heraus. Handelt es sich also nun wirklich um den ältesten Whiskey der USA? Nunja, vermutlich nicht ganz. Aber man muss dem Unternehmen zugutehalten, dass sie sich zumindest sehr um die Marke bemühen, denn ganz ohne Aufwand wurde hier nicht vorgegangen. Man hat also nicht einfach nur einen Bourbon bzw. einen Rye auf den Markt geworfen und mit einem schicken Namen versehen, nein, man hat zunächst tatsächlich einmal historische Recherchen begonnen. In diesem Zuge wurden alte Originalwhiskeyflaschen Colonel James E. Peppers aus der Zeit vor, während und nach der Prohibition gesammelt und ihr Inhalt analysiert. Daneben wurde ein altes Schreiben erworben, in dem der Colonel im Jahr 1887 die genauen Produktionsmethoden und die Zusammensetzung der Maische beschrieb. Da man aber nicht direkt eine eigene Destille betreibt, wurden nun nach diesem „Rezept“ eigene Blends aus Whiskeys aus verschiedenen Fässern aus verschiedenen Destillen kreiert (manch einer munkelt, ein Großteil stamme aus der Bernheim Distillery), um den „Old 1776“ wieder aufleben zu lassen und nachzuempfinden. Dass dabei u.U. nicht alle Destillen aus Kentucky selbst stammen, kann man deshalb mutmaßen, weil auf dem Etikett nicht Kentucky Straight Bourbon Whiskey zu lesen ist, sondern „nur“ Straight Bourbon Whiskey.
Noch einmal: Ist der 1776 Bourbon nun der älteste Whiskey der USA? Natürlich nicht. Aber vielleicht zumindest ein bisschen. Es ist ein bisschen wie mit dem Stück für Stück restaurierten Schiff, bei dem man die philosophische Frage stellen darf, ab wann es sich eigentlich noch um das Original und ab wann es sich um einen Nachbau handelt. Für das Marketing ist die Geschichte aber natürlich sehr schön und ansprechend und wenn denn die ganz historische Recherche und der Aufwand zu einem guten Bourbon Whiskey führt, warum also nicht?
Und genau dieser Frage möchte ich nun nachgehen. Das heißt: „fast“, denn bevor ich nun einfach nur einige interessante Verkostungsnotizen raushaue, möchte ich natürlich schon auch einmal vorstellen, was für Produkte sich inzwischen im Portfolio der 1776er finden. Das Design der Flaschen gefüllt mir jedenfalls schon einmal sehr gut. Es ist schlicht und klassisch und transportiert dabei gut das historische „Flair“ der Marke. Auf dem Rückseitenetikett findet sich eine Zeichnung Benjamin Franklins, welche eine „in Kolonien“ zerstückelte Schlange mit den Initialen diverser Amerikanischer Kolonien zeigt, welche ursprünglich anlässlich des Siebenjährigen Krieges von 1754 bis 1763 angefertigt wurde. In diesem Krieg galt der Aufruf, die abgebildeten Kolonien sollten vereint an der Seite Großbritanniens kämpfen oder eben sterben. Später wurde die Zeichnung jedoch auch zum Freiheitssymbol während des Amerikanischen Unabhängigkeitskrieges und war dann auch gegen die Briten gerichtet. In diesem Sinne wird man wohl die Zeichnung auf die Flaschen gedruckt haben (passend zur aus dem Krieg resultierenden Gründung im Jahr 1776). Aber nun werfen wir wirklich einen Blick auf die einzelnen Flaschen samt der Verkostungsnotizen. (Es gibt zudem auch noch 15-jährige Flaschen aus dieser Reihe, aber diese sind heute nicht Gegenstand meines Artikels.)
Da wäre zunächst der klassische Bourbon, um den es hier die ganze Zeit quasi ging: der „1776 Straight Bourbon Whiskey – Aged 7 Years“. Er wird im Small Batch verfahren produziert (wer tut das nicht?) und durfte 7 Jahre in amerikanischer Weißeiche reifen. Das ist schon nicht unbedingt selbstverständlich, denn im Bourbonsegment ist das NAS-Prinzip (No Age Statement) ohnehin schon traditionell verbreitet. Mit 38% Roggenanteil in der Maische ist dieser Bourbon durchaus recht roggenstark, was ich persönlich erst einmal sehr schön finde. Erfreulicherweise wird der 1776 nicht kühlfiltriert und mit aromatisch vielversprechenden 46% vol. abgefüllt. Die Flasche kostet um die 40 Euro.
Tasting Notes „1776 Bourbon Aged 7 Years“:
Aroma: Ich neige dazu, die typische Charakteristik eines Bourbons, die von vielen als intensive Vanille beschrieben wird, subjektiv auch meist als ungemein „orangig“ wahrzunehmen. Bei diesem Bourbon bin ich jedoch wirklich fasziniert, dass die schöne und intensive Vanille tatsächlich sehr „rein“ daherkommt. Fast wie ein cremiger Vanillepudding, bei dem sich zwar nach einiger Zeit auch feine Orangennoten zeigen, aber wirklich nur sehr subtil. Durchwoben von etwas Zimt, Muskat und anderen Gewürzen, weiß dieser Bourbon wirklich zu gefallen und fällt tatsächlich auch überraschend anders aus als erwartet.
Geschmack: Auch am Gaumen zeigt sich die aromatische und klare Vanille, dazu eine fein-würzige Seite mit Zimt, etwas Nelke und einer feinen Orange. Ein wenig Eiche kommt mit der Zeit ebenfalls zum Vorschein, von „Klebstoff“, wie er Bourbon oft nachgesagt wird, keine Spur.
Abgang: mittellang, fein-würzig und mit stärker werdender Eiche
An der Seite des siebenjährigen 1776 steht gewissermaßen sein kräftigerer Bruder, der „1776 Straight Bourbon Whiskey – 100 Proof“. Im Gegensatz zu den krummen Proofrechenspielen der Briten ist das bei amerikanischen Spirituosen immer denkbar einfach: 100 Proof = 50% vol. Und so ist es auch. Auch hier haben wir es mit 38% Roggenanteil in der Maische zu tun. Und auch er ist nicht kühlgefiltert. Ein wenig erstaunt war ich schon, dass man hier mit einem Unterschied von „lediglich“ 4% vol. einen weiteren Bourbon rausgebracht hat, aber 4% vol. können natürlich eine ganze Menge Unterschied machen. Ich vertraue also mal auf die Blendmaster aus dem Hause Georgetown Trading. Auch hier werden meist ca. 40 Euro aufgerufen.
Tasting Notes „1776 Bourbon 100 Proof“:
Aroma: Der höhere Alkoholgehalt macht sich in der Nase kaum bemerkbar, stattdessen wird sofort klar, dass man es hier mit einem etwas würzigeren Bourbon zu tun hat, was dann sicherlich wiederum dem höheren Alkoholgehalt als Aromenträger geschuldet ist. Ein deutliches Plus an Eiche vermischt sich mit Karamell, Nelken, Muskatnuss und anderen Gewürzen. Eine kühle Minznote ist ebenfalls da und gefällt mir als Konterpunkt sehr gut.
Geschmack: Die feine Eichenbitterkeit zeigt sich zwar am Gaumen, trotzdem besticht der 100 Proof auch durch eine schöne, vanillig-karamellige Süße, zu der sich dann auch die Gewürztöne des Roggens gesellen. Ein angenehm zu trinkender Bourbon, trotz der 50% vol. verspüre ich keinen störenden Alkohol und würde auch nicht mit Wasser verdünnen.
Abgang: würzig mit Karamell und Eiche
Neben den eben vorgestellten Bourbon gibt es auch zwei Ryeabfüllungen. Mich als bekennenden Roggenwhiskey-Fan freut es ganz besonders. Im Grunde haben wir hier ein ähnliches Spiel mit den Alkoholstärken wie beim Bourbon, es geht aber gleich ordentlich los. Denn der „schwächere“ von beiden ist der „1776 Straight Rye Whiskey 100 Proof“ mit geschlagenen 50% vol., dem zur Seite quasi der Goliath der Reihe steht: Der „1776 Straight Rye Whiskey – Barrel Proof“. Letzterer kommt mit stolzen 58,6% vol. daher. Mit über 90% Roggenanteil in der Maische eine viel Würze und Kraft versprechende Angelegenheit. Preislich spielen beide Rye-Abfüllungen in der gleichen Liga wie die Bourbons mit um die 40 Euro pro Flasche. Übrigens wurden die Whiskeys aus der 1776-Reihe auch mit diversen Gold- und Doppelgoldmedaillen ausgezeichnet, welche ich jetzt aber nicht alle gesondert aufführen werde. Stattdessen führe ich lieber meine Tasting Notes der beiden Roggen-Varianten auf:
Tasting Notes „1776 Rye 100 Proof“:
Aroma: Ohne Zweifel ein Roggenwhiskey. Die Aromen fallen im Vergleich zum Bourbon kräftiger und würziger aus: Honig, Kräuter und ein bereits mit Anklängen von Schokolade auftrumpfendes Karamell zeigen sich in der Nase. Dazu etwas Eichenwürze, Nelken, Muskat und etwas Minze.
Geschmack: Auch am Gaumen bestätigt sich der Eindruck. Milchschokolade, Karamell, und Gewürztöne, die sich mit ein paar Tropfen Wasser noch ein wenig weiter aufschlüsseln lassen. Ein schöner Rye-Whiskey, dem der vergleichbar hohe Anteil von 90% Roggen in der Maische sehr gut zu Gesicht steht.
Abgang: mittellang, würzig, mit Eiche und Karamell
Tasting Notes „1776 Rye Barrel Proof“:
Aroma: Tatsächlich ähnelt das Aromenbild zunächst dem des 100 Proof, zu meiner Überraschung kommen hier aber noch fruchtige Töne mit hindurch, Steinobst wie Äpfel, Birnen oder Quitten. Dann aber auch wieder Karamell, Honig, Schokolade und viel Gewürz von Roggen und Eichenfass. Ein toller Eindruck, den der Barrel Proof hier verbreitet.
Geschmack: Intensiv, würzig, voll-aromatisch, ein paar Tropfen Wasser stehen ihm allerdings gut zu Gesicht, da mir die 58,6% vol. für den Purgenuss doch fast zu viel sind. Das bringt wiederum Schokoladen- und Waldhonignoten nach vorne und auch etwas Vanille scheint hindurch. Fruchtnoten und Kräuter wie Minze und etwas Thymian kann ich ebenfalls finden. Dabei bleibt der Barrel Proof in meinen Augen der noch ein wenig komplexere der beiden Ryes, obwohl mir auch der 100 Proof wirklich gut gefällt.
Abgang: lang und würzig
Bezugsquellen: Die 1776er Whiskeys findet man im Fachhandel oder online.
*(Der Umstand, dass mir diese Produkte zu redaktionellen Zwecken unentgeltlich zur Verfügung gestellt worden sind, bedeutet nicht, dass in irgendeiner Weise Einfluss auf den Artikelinhalt oder meine Bewertung genommen wurde. Vielmehr ist es für mich stets unverrückbare Bedingung, völlig frei und unbeeinflusst rezensieren zu können.)
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Den 1776 hatte ich auch mal in meiner kleinen Heimbar als Standard-Rye. Pur finde ich ihn im Abgang überraschend schwach, aber er passt einfach perfekt in alle klassischen Drinks!
Den Barrel Proof Rye finde ich nach Deiner Beschreibung auch sehr spannend. Ich frage mich nur, ob er gut zu mixen ist. In einem Manhattan oder Greenpoint könnte er zu stark sein, oder?
Ich persönlich finde den Barrel Proof auch nochmal um einiges besser. Natürlich muss man sich fragen, wieviel „Bumms“ man z.B. in seinem Manhattan haben will, es gibt ja durchaus Leute, die da zu Konzessionen bereit sind, Hauptsache das Aromenbild bringt noch mehr mit sich. Ich mag das nicht immer, aber manchmal. 😉
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