Single Malt Whisky hat sich in den letzten Jahrzehnten ziemlich rasant entwickelt – von einem Produkt, das schon immer eine sehr überzeugte, damals aber noch kleinere Anhängerschaft aufwies, hin zu einem Produkt mit einer großen und globalen Fangemeinschaft. Besonders der Scotch Single Malt Whisky stand dabei schon immer im Mittelpunkt. Und obwohl Scotch nicht meine erste Liebe war, war sie doch meine erste wirklich große. (Zugesandtes Testprodukt*)
Doch die erste Spirituose, für die ich mich wirklich begeistern konnte, war Gin. Das müsste so ungefähr im Jahr 2007 gewesen sein. Allerdings war das Ginangebot und besonders die einfache Verfügbarkeit der heutigen Tage damals noch undenkbar und so war der Tanqueray No. 10 quasi so etwas wie das Spitzenpremiumprodukt in meiner Vitrine. Doch bereits ein Jahr später packte mich das Single Malt-Fieber (später durfte ich sogar an einem Buch zur Thematik mitschreiben) und ich war absolut begeistert von der geschmacklichen Bandbreite dieser Spirituosengattung, eine Bandbreite, mit der Gin einfach nicht mithalten konnte (und auch heute noch nicht kann – auch wenn das natürlich zugegebenermaßen der berühmte Vergleich von Äpfeln mit Birnen ist). Wenn ich mir überlege, dass das gerade einmal zehn Jahre her ist, dann macht mich das manchmal regelrecht wehmütig, wenn ich die Preisentwicklung im Whiskymarkt während dieser Zeitspanne bedenke. Einer der vor allem dazu beitragenden Faktoren ist natürlich die unglaublich angestiegene Nachfrage (sowohl in Europa, vor allem aber in Fernost) und die Unvorhersehbarkeit dieser Nachfrage, was natürlich stark auf Kosten von Altersabfüllungen gegangen ist. Besonders China hat den Scotch Single Malt Whisky als Genuss- und leider oft auch als Prestigeobjekt für sich entdeckt, was die Preise für manche Marken exorbitant in die Höhe getrieben hat. Allerdings gibt es ja auch noch Marktentwicklungen, die Grund zur Freude geben.
Eine dieser Entwicklungen ist die zunehmend steigende Zahl kontinentaler Single Malt Whiskys aus Festlandeuropa, insbesondere auch aus Deutschland. Natürlich haben viele europäische Länder reichhaltige eigene Brennereitraditionen und das Handwerk ist hierzulande sehr wohl bekannt. Viele dieser Brennereien stammen ursprünglich aus dem Segment der Obstbrandherstellung, was sich auch im Geschmack mancher derartiger Whiskys zeigt, weshalb man sie auch manchmal als „Gerstler“ bezeichnet (als Ableitung von „Obstler“, da Single Malt Whisky aus gemälzter Gerste hergestellt wird).
Eine Brennerei noch sehr jungen Datums ist allerdings die Sauerländer Edelbrennerei aus Kallenhardt, über die ich bereits im Zuge eines Artikels über einen Brand und zwei Geiste berichtete. Als man dort im Jahre 2007 das eigene Brennereihandwerk kommerzialisierte, war von Anfang an auch Whisky mit in der Planung enthalten. Dies führte sogar dazu, dass man neuen Lagerraum für die Whiskyfässer benötigte und final ein altes Sägewerk sowie eine zweite Brennanlage erwarb und renoviert hat (die Eröffnung fand im April 2016 statt). Dort verfügt man nun über genug Platz für eine angemessene Whiskyproduktion und die Kallenhardter geben sich betont selbstbewusst, wenn sie sagen, dass man von dort nun „die Zukunft des deutschen Whiskys“ gestalten wolle.
Für diesen Whisky wird Grundwasser aus 188 Meter tief gelegenem Devongestein entnommen und mit Gerstenmalz zu einer Maische verarbeitet, die mit einer besonderen Brandhefe vergoren wird, bevor man anschließend den Rohwhisky daraus herstellt. Nun verkauft die Sauerländer Edelbrennerei aber keinen New Make oder Moonshine, sondern man bietet einen fertigen Single Malt Whisky an. Für eine junge Destille nicht unbedingt immer eine leichte Aufgabe, denn ein Single Malt Whisky muss mindestens für 3 Jahre in Fässern gelagert worden sein, um ihn als solchen verkaufen zu dürfen. Eine Altersangabe trägt der Mc Raven-Whisky somit (noch) nicht, man gibt aber an, er bestehe aus einer Mischung von Whiskys zwischen 3 und 12 Jahren Alter. Inwiefern man hier ggf. eines Tages das Sortiment um feste Altersangaben erweitern und sich gegen den NAS-Trend der Whiskybranche stellen wird, wird die Zeit zeigen. Gespannt darf man jedenfalls sein.
Aber noch einmal zurück zur Produktion des Mc Raven-Whisky. Er unterscheidet sich allein schon durch die Auswahl der Fässer von den meisten schottischen Vertretern. Zwar kommen auch hier ehemalige Bourbonfässer zum Einsatz, man verwendet jedoch auch toskanische Rotweinfässer. Ein wenig zeigt sich dies auch in der Farbe des Mc Raven, die einen rötlichen Schimmer in satten Bernstein einbringt. Gefärbt wird in Kallenhardt übrigens nicht (und auch nicht kühlgefiltert, also alles so, wie man es sich wünscht). Abgefüllt wird der Mc Raven schließlich mit aromatisch vielversprechend kalkulierten 46,2% vol. und kostet ca. 60 Euro. Die Flasche bzw. das Produktdesign sind wirklich sehr hochwertig geraten und sprechen (zumindest mich) absolut an!
Achja, noch ein Wort zum Namen: All denjenigen, die mit der Herkunftsregion des Mc Raven nicht so vertraut sind, sei gesagt, dass man das Sauerland auch als „Land der tausend Berge“ bezeichnet. Und da ja – wie ich bereits im Artikel zu Möhrenbrand, Heu- und Himbeergeist erwähnt habe – ein kleiner Rabe das Brennereimaskottchen ist (auch auf dieser Flasche in einer Zeichnung von Otmar Alt zu sehen), et voila: Thousand Mountains Mc Raven Single Malt Whisky! (Aktuell gibt es hier sogar eine Crowdfundingkampagne zum McRaven)
Tasting Notes:
Aroma: Der deutliche Schlieren bildende, ölig im Glas liegende Mc Raven eröffnet gleich zu Beginn mit einer sehr schönen „Nase“: Heidekraut und Honig umschmeicheln die Sinne, dahinter etwas Vanille, deutliches Malz und ein Hauch Zitrus sowie grüner Apfel und samtige Birne. Nüsse und auch ein wenig Karamell zeigen sich mit der Zeit. Tatsächlich hätte ich diesen Single Malt bei einer Blindverkostung ziemlich sicher der Speyside oder den Highlands zugeordnet. Ein wenig fühle ich mich an einen Glengoyne erinnert.
Geschmack: Am Gaumen offenbart sich dann eine deutliche Eichennote mit einer leichten Bitterkeit, wieder finde ich reichhaltigen und süßen Honig, eine leicht kräutrige Unternote ist auch enthalten. Nach einer Weile kommen Nüsse zum Vorschein, die Fruchttöne aus der Nase sind sehr weit in den Hintergrund getreten. Der Hersteller spricht von einer leicht pfeffrigen Schärfe, wie man sie auch dem Talisker nachsagt. Tatsächlich finde ich diese leichte Schärfe, inwieweit sie dem Brennereicharakter der Sauerländer Edelbrennerei geschuldet ist oder den mitunter noch jüngeren enthaltenen Malts, vermag ich nicht mit schlussendlicher Gewissheit zu sagen.
Abgang: Zu meiner großen Überraschung zeigt sich hier eine samtig-süße Birne mit etwas Schokolade, bevor dann die Eiche final zum Abschied grüßt. Den Abgang würde ich als mittellang beschreiben.
Der Thousand Mountains Mc Raven Single Malt Whisky ist ohne Zweifel ein sehr schöner, deutscher Single Malt. Vom oft angeführten „Gerstler“ mancher Obstbrenner ist hier wirklich keine Spur. Stattdessen fällt der Single Malt überraschend komplex und vielseitig aus, mit Wendungen, die bei Weitem nicht jeder Single Malt Whisky mit sich bringt. Man muss ihm natürlich etwas Zeit geben, aber die hat zunächst eigentlich jeder Whisky verdient. Schlussendlich eine klare Empfehlung von mir für diesen Tropfen! Schön, dass so etwas Gutes in meiner unmittelbaren Nähe hergestellt wird.
Bezugsquellen: Im Fachhandel oder online.
*(Der Umstand, dass mir dieses Produkt zu redaktionellen Zwecken unentgeltlich zur Verfügung gestellt worden ist, bedeutet nicht, dass in irgendeiner Weise Einfluss auf den Artikelinhalt oder meine Bewertung genommen wurde. Vielmehr ist es für mich stets unverrückbare Bedingung, völlig frei und unbeeinflusst rezensieren zu können.)
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